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Unser Date mit einem Guru

Interview mit Sadghuru: «Erleuchtung ist kein Luxus»

Millionen von Menschen verlassen sich auf die Ratschläge von Sadhguru. Im Interview verrät er, was seine Aufgabe als Guru ist – und wieso wir im Westen keine Ahnung von Yoga haben.

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Sadhguru

Sadhguru im Interview mit Style Online Editor Marlies.

Isha Foundation

Er hält Vorträge am WEF oder an der Universität von Oxford und zählt laut dem «Indian Express» zu den 50 einflussreichsten Indern. Dank YouTube und Social Media wurde Sadhguru zum spirituellen Führer für die Massen. Seine Videos, in denen er über Alltagsprobleme genauso spricht wie über die Gefahren des Klimawandels, zählen Millionen von Klicks. Nach einer Rede vor der UNO in Genf nahm sich der Mystiker und Bestsellerautor auch für unsere Fragen Zeit. Pünktlich auf die Minute betritt er die Suite des Luxushotels. Mit seinem weissen Rauschebart und dem Turban auf dem Kopf entspricht er dem Klischee eines Gurus. In seinem Blick entdeckt man jedoch nicht die erwartete Sanftmut, sondern Schalk. Sadghuru ist ein abgebrühter Interviewpartner. Er pariert Fragen mit Gegenfragen, spricht gerne in Bildern und Gleichnissen. Wenn er lacht, schüttelt sich sein ganzer Oberkörper. Und er lacht viel. Unter anderem über die westliche Vorstellung von Yoga.  

Style: Menschen wenden sich auf der Suche nach Antworten an Sie. Was ist die häufigste Frage, die Ihnen gestellt wird?

Sadhguru: Sie wollen wissen, wie sie jemand anderen ändern können. Ihren Mann, die Frau, ihre Kinder, Freunde, Feinde. Meine Aufgabe ist es dann, diesen Leuten klarzumachen, dass sich nichts verbessern wird, solange sie sich nicht selbst ändern. 

Welche Vorstellung haben Menschen, wenn Sie sie treffen?

Kommt auf das Land, die Kultur an. Jeder hat andere Vorurteile. In der Schweiz denken sie, ein Guru sei ein Idiot. Sie denken, ein Guru sei jemand, der aus der Zeit gefallen ist und nicht hier sein sollte. Wie eine altertümliche Figur, die nichts über das moderne Leben weiss. Sie sind dann immer ganz überrascht, wenn ich über aktuelle Themen spreche. Dabei bin ich ja jetzt doch auch schon sechs Jahrzehnte auf dieser verdammten Welt. (lacht)

Sie nutzen auch Instagram und YouTube. Werden Sie deshalb oft als moderner Guru bezeichnet?

Alle Gurus waren immer schon zeitgemäss. Wir tendieren dazu, Gelehrte mit Gurus zu verwechseln. Erstere vertiefen sich in das Studium von Büchern, Letztere beobachten das, was in der Welt passiert. Wer als Guru nicht zeitgemäss ist, hat keine Relevanz für das Hier und Jetzt. Und wenn man für das Hier und Jetzt nicht relevant ist, hat man keine Daseinsberechtigung. Ich habe jedenfalls keine alten Schriften gelesen.

Sie sprechen über aktuelle Themen wie den Klimaschutz. Woher nehmen Sie ihr Wissen? 

Was ist das für eine Frage? Denken Sie, ich hätte mein Wissen irgendwo gestohlen? Das ist wieder so eine europäische Sichtweise! Entweder man ist weise oder man ist es nicht. Menschen verwechseln Wissen mit Weisheit. Wenn ich zum Beispiel über kleine Beobachtungen spreche, die ich in der Natur gemacht habe, denken alle, ich sei ein grossartiger Umwelt-Wissenschaftler. Dabei gehe ich nur aufmerksam durchs Leben. Das ist alles, was es braucht. Mit Wissen kann man vielleicht bei einer Party angeben, aber es verändert nicht dein Leben. 

Sind wir denn in der heutigen Zeit zu abgelenkt, um aufmerksam durchs Leben zu gehen? 

Menschen waren immer schon abgelenkt. Das Problem ist, dass wir mit Intelligenz gesegnet sind, unsere Fähigkeiten und Emotionen aber nicht steuern können. Anders als zum Beispiel unsere Hände und Finger. So machen wir uns Sorgen, sind gestresst oder werden wütend, anstatt uns für das Glücklichsein zu entscheiden. 

In ihrem Buch «Inner Engineering» schreiben Sie darüber, wie Yoga uns dabei helfen kann. 

Wenn man es richtig macht, ja. Wenn man im Westen von Yoga spricht, denken alle an Verbiegungen und Stretching. Sie denken, sie machen Yoga, aber es ist Zirkus für Arme (lacht). Beim Yoga geht es darum, ein tieferes Verständnis für seinen Körper, seinen Geist und seine Energie zu bekommen. Wenn man fit werden möchte, sollte man lieber Schwimmen gehen, einen Berg hochsteigen oder Tennis spielen. Wir überschätzen unser individuelles Dasein. Yoga macht man, weil man eins mit dem Universum werden und die Grenzen, die der Körper uns dabei setzt, überwinden möchte. Das ist eine Technik, die man lernen kann.

Stört es Sie, wenn Menschen aus dem falschen Grund Yoga machen?

Nein, denn auch wenn man aus dem falschen Grund das Richtige macht, kann es zum richtigen Ziel führen.

Sie scheint gar nichts aus der Ruhe zu bringen.

Nein. Wenn eine Situation schwierig ist, dann mache ich einen Plan. Sich Sorgen zu machen ist keine Lösung. Ähnlich verhält es sich bei Stress. Wieso sind wir gestresst? Weil unser Geist uns nicht gehorcht. Und weil sie überfordert sind, betäuben sich Menschen dann mit Alkohol. Ich trinke nur Wasser, bin aber auch so immer high. Ich bin high und gleichzeitig voll präsent. Unser Körper ist die tollste Chemie-Fabrik! Man muss sie nur richtig führen. Stattdessen suchen Menschen billigen Ersatz im Inhalt von Flaschen und Zigaretten.

Womöglich weil das leichter ist, als Erleuchtung zu finden?

Sehen Sie die Türfalle da drüben? Wenn wir falsch daran reissen, geht die Tür nur schwer auf, drücken wir sie richtig, ist es ganz einfach. Jeder kann erleuchtet werden! Auf diesem Planeten gibt es nur ein Problem: den Menschen. Wir können unsere Intelligenz entweder nutzen, um Probleme zu schaffen – oder um Lösungen zu finden. Erleuchtung ist deshalb kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Es ist an der Zeit, sich aufzuraffen!

Von Marlies Seifert am 6. Juli 2019 - 13:15 Uhr