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Romina weiss Rat

So schafft ihr Ruhe am Familientisch

Streitende Geschwister, verschmierte Kindermäuler und klebrige Hände – in manchen Familien herrscht am Esstisch das totale Chaos. Familienexpertin Romina Brunner erklärt, wie es auch anders geht.

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Familientisch

So lieber nicht! Wenn die Kinder quängeln, streiten und rumspielen am Familientisch, liegt es vielleicht an einer falschen Sitzordnung, meint Familienexpertin Romina Brunner.

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Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
Romina Brunner

Unser Ältester, 7, tyrannisiert regelmässig den Familientisch. Er geht auf seinen sechsjährigen Bruder los, lärmt und stichelt sogar gegen seine dreijährige Schwester. An manchen Tagen habe ich das pure Chaos am Tisch. Besser gehts, wenn mein Mann da ist. Meine Schwester glaubt nun, dass es an unerer Sitzordnung liegt. Ist da was dran? Und wie könnte man sie besser gestalten? — Baba

Liebe Baba

Manchmal werden Konflikte am Familientisch durch eine falsche Sitzordnung tatsächlich begünstigt. Zum Beispiel, wenn das Jüngste von drei Kindern wie ein König zuoberst am Tisch thront oder immer noch zwischen Papa und Mama sitzt, obwohl es schon längst alleine essen kann. Solche Konstellationen führen gerne zu Eifersucht unter Geschwistern.

So stellt man eine systemische Tischordnung auf

«In der systemischen (Tisch)-Ordnung geht es darum, dass jedes Familienmitglied seinen Platz hat und die Rangordnung entsprechend eingehalten wird», erklärt Familientherapeutin Martina Rissi. Denn sitze jeder am richtigen Platz, stärke das seine Position in der Familie.  Rissi: «Sind die Eltern gestärkt, sind es auch die Kinder, denn sie brauchen die Sicherheit der Eltern um selbst stark zu sein.»

Am Tisch sieht das so aus: Die Eltern sitzen nebeneinander und nicht gegenüber. Die Platzierung folgt im Uhrzeigersinn, also von rechts nach links. Erst der Vater, dann zu seiner linken die Mutter, danach das Erstgeborene links der Mutter oder vis à vis, dann das zweit- und drittgeborene Kind.

«Eine natürliche Familienhierarchie zu leben, bedeutet nicht, seine Kinder zu erniedrigen, oder sie nicht mitreden zu lassen»

Familientherapeutin Martina Rissi

«Eine natürliche Familienhierarchie zu leben, bedeutet nicht, seine Kinder zu erniedrigen, oder sie nicht mitreden zu lassen», sagt Rissi. «Es bedeutet Grenzen zu setzen. Und dafür brauchen die Eltern das Bewusstsein, dass sie das Sagen haben. Sonst tanzen ihnen die Kinder schnell auf dem Kopf herum.»

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Laut der systemischen Psychologie sollten Eltern möglichst auch im Alltag die Rangordnung einhalten. So sollten Eltern immer mal wieder Situationen schaffen, in denen die Kinder lernen, dass es einen Unterschied zwischen Gross und Klein gibt — auch unter den Geschwistern. «Das Erstgeborene hat mehr Rechte aber auch mehr Pflichten. So darf das Älteste zum Beispiel länger aufbleiben, länger TV schauen, Gamen oder im Auto vorne sitzen», sagt Rissi. «Die Kinder lernen dadurch, Autoritäten zu akzeptieren, ohne dabei unkritisch und unterwürfig zu werden. Je früher die Kinder das lernen, umso weniger fühlen sie sich später in der Schule oder im Berufsleben in der eigenen Autonomie beschnitten.»

Unsere Familienexpertin wagt den Selbsttest

Ich habe die letzten drei Wochen einen Selbsttest gewagt und unsere Kinder – gemäss der systemischen Tischordnung – uns gegenüber gesetzt. Meine Befürchtung, dass ich meinem Mann nicht mehr direkt in die Augen schauen kann, hat sich verflüchtigt. Auch mein Mann fühlt sich ganz wohl an seinem neuen Platz. Da wir nebeneinander sitzen, können wir uns sogar tiefer in die Augen schauen und uns auch mal an den Händen halten oder küssen.

Auch die Kinder haben Freude, allerdings muss ich, wenn ich alleine bin, extrem bei der Sache sein. Kaum gehe ich vom Tisch, bricht das Chaos aus. Die Kleine kneift die Grosse, spielt mit der Gabel, greift mit den Händen ins Essen. Früher sass sie einfach nur da und ass.

Die ersten Tage musste ich unsere Maus mehrmals vom Tisch nehmen. Noch heute kann ich beide nicht zu nah neben einander setzen. Rissi: «Gerade wenn ein Elternteil alleine am Tisch sitzt, brauchte es Strenge und Konsequenz. Denn die neue Sitzordnung zeigt auch neue Dynamiken.» 

Das Resultat der systemischen Tischordnung überzeugt

Liebe Baba, ich glaube, wir sollten immer mal wieder offen sein für Neues. Für viele Eltern kommt die systemische Tischordnung überhaupt nicht in Frage. Ich mag mich noch gut daran erinnern, wie irritiert wir alle waren, als meine Freundin und ihre drei Kinder sich im Restaurant systemisch platziert haben. 

Heute, nach unserem Test, muss ich sagen: Doch, es ist auch für uns stimmig! Meine Befürchtung, dass mein Mann und ich uns als Paar weniger begegnen, ist jedenfalls verflogen. In deinem Fall hilft es vielleicht schon, wenn du deinen Ältesten umplatzierst. Probiers doch einfach mal aus.

Herzlich, Romina

Tipps, um die systemische Tischordnung umzusetzen
  • Die Eltern sollten sich nicht gegenübersitzen. Am besten sitzen die beiden Partner nebeneinander oder übers Eck
  • Die Frau sitzt links neben dem Mann
  • Die Kinder sitzen in der Reihenfolge des Alters links neben der Mutter. Das älteste Kind zuerst. An einem Ecktisch zum Beispiel ist das Älteste vis-a-vis der Mutter platziert
  • Ein Kleinkind, das Hilfe beim Essen braucht, sitzt nah bei der Mutter oder dem Vater. Sobald das Kind alleine essen kann. wird es in die Reihenfolge eingegliedert
  • Wenn ein Familienmitglied nicht anwesend ist, wird sein Platz trotzdem freigehalten. Dies symbolisiert, dass das fehlende Familienmitglied einen festen Platz in der Familie hat

Unsere Expertin für Familienfragen

Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.

Von Romina Brunner am 30. Oktober 2019 - 11:30 Uhr