Yes!» Als Emma Stone als «Beste Schauspielerin» ausgezeichnet wird, applaudiert Karl Spoerri (50) vor dem TV begeistert. Dies, obwohl er mit Stones Sieg eigentlich verloren hat, war doch «Nyad»-Hauptdarstellerin Annette Bening ebenfalls in jener Kategorie nominiert. Spoerris Firma Zurich Avenue hat das Netflix-Schwimmerdrama mitentwickelt und mitproduziert. Aber: «Ich bin ein grosser Fan von Emma Stone. Sie ist sehr talentiert und super sympathisch.»
Der Mitgründer des Zurich Film Festival muss es wissen: Er empfing die Schauspielerin 2010 am ZFF und hatte vor einem Jahr ein Gespräch mit ihr über eine allfällige Zusammenarbeit. Die Oscar-Verleihung verfolgt er zwar nicht vor Ort, sondern in der privaten Villa seiner «Nyad»-Partner im vornehmen Stadtteil Brentwood von L. A. Dass sowohl Annette Bening als auch die als beste Nebendarstellerin nominierte Jodie Foster leer ausgingen, tat der guten Stimmung keinen Abbruch. «Die Atmosphäre war entspannt», erzählt er am Tag danach von der mit Sushi und anderen japanischen Köstlichkeiten bestückten Privatparty. «Unsere Erwartungen waren nie besonders hoch. Wir wussten, dass wir kaum Chancen hatten.»
Annette Bening spielt die Athletin Diana Nyad, die mit 64 Jahren als erster Mensch die 177 Kilometer von Kuba nach Florida ohne Haikäfig geschwommen ist. Jodie Foster verkörpert deren beste Freundin und Trainerin. Obwohl die beiden Stars eindrückliche Darbietungen ablieferten, zeichnete sich ab, dass das Rennen um die Top-Trophäe unter anderen Schauspielerinnen ausgemacht wird.
Diana Nyad hatte zudem auch ihre Kritiker: «Sie ist eine ambivalente Figur», gibt Spoerri zu. «Ich habe Leute aus der Schwimmszene kennengelernt und viele kritische Stimmen gehört. Aber das liegt primär daran, dass sie eine Person mit Ecken und Kanten ist. Bei Frauen wird das nach wie vor weniger akzeptiert.» Auch ohne Oscar wird der Film bei Spoerri noch lange nachhallen. Er hat ihn inspiriert, nun zwei- bis dreimal die Woche im Hallenbad Oerlikon schwimmen zu gehen: «Ich habe nie richtig gut schwimmen gelernt, aber ich bewundere alle, die es können. Ich möchte da jetzt auch Fortschritte machen.» Zum Schwimmen kommt er bei seinem Besuch in Los Angeles allerdings nicht.
Helen Mirren im Tessin
Ein Termin jagt den nächsten – mit Produzenten, Autorinnen und Verleihern. Gerade hat seine Produktions- und Finanzierungsfirma, die er mit seiner Frau Viviana Vezzani und Tobias Gutzwiller gegründet hat, ein nächstes Projekt angekündigt: Helen Mirren («The Queen») wird in «Switzerland» die berühmte Krimiautorin Patricia Highsmith verkörpern, die die letzten Jahre ihres Lebens im Tessin verbrachte und auch dort beerdigt wurde. «Ein junger Literaturagent aus New York wird zu ihr ins Tessin geschickt, ums sie davon zu überzeugen, noch einmal einen Roman wie ‹The Talented Mr. Ripley› zu schreiben – ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt», verrät Spoerri. Alden Ehrenreich, den man zuletzt im Ensemble von «Oppenheimer» sehen konnte, wird diese Rolle übernehmen. «Wir wollen im Herbst in Zürich und im Tessin drehen. Dann hat Helen Mirren ein offenes Zeitfenster.»
Damit nicht genug: Im Januar konnten Karl und Viviana (45) am Sundance-Festival einen Deal für den Film «Thelma», den sie produziert und finanziert haben, aushandeln. Die Actionkomödie mit der 94-jährigen June Squibb in ihrer ersten Hauptrolle startet am 21. Juni in den amerikanischen Kinos und wird im Herbst in der Schweiz zu sehen sein: «Ich habe noch nie einen Film produziert, der sowohl vom Publikum wie auch bei den Kritikern so viel Sympathie erntete», freut sich Spoerri. «June Squibb ist eine Inspiration, was man alles noch kann, auch wenn man älter ist: Sie hat problemlos acht Stunden am Tag gearbeitet, nie eine Zeile Dialog vergessen und dann in Sundance keine Party ausgelassen.»
Da kann der Schweizer nicht mithalten: Nach der Oscar-Show wollte er noch an zwei After-Partys: an jene der Verleihfirma Neon, die den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch für «Anatomy of a Fall» feiern konnte, und an die exklusive Sause der Staragentur CAA. «Aber dann hatte ich ein sehr gutes längeres Gespräch mit Kim Roth von der Produktionsfirma River Road Entertainment, mit der wir den Film ‹Dreamin’ Wild› mit Casey Affleck produziert hatten. Schliesslich war der Abend schon recht fortgeschritten, und so war ich vernünftig und bin früh schlafen gegangen.» Denn bereits am folgenden Tag ging es weiter mit Terminen für ein DOK-Projekt – diesmal zwei Autostunden von L. A. entfernt am Tennisturnier von Indian Wells.
Spoerri beweist, dass man auch aus der Schweiz internationale Filme produzieren kann. Natürlich reise er öfter mal nach London oder Los Angeles, aber gerade in der heutigen Welt sei der Ort nicht mehr so wichtig, wie er einmal war. «Viele Meetings sind jetzt auf Zoom, was auch schade und nicht immer effizient ist. Zudem hat mich die Herausforderung stets gereizt, wenn man mir sagte, es sei etwas unmöglich. Genau wie damals, als niemand glaubte, dass wir ein internationales Filmfestival in Zürich zustande bringen.»
Mit dem inzwischen ins 20. Jahr gehenden Festival ist er nach wie vor verbunden. Es sei schön gewesen, so etwas aufzubauen, aber nach 15 Jahren wollten er und Viviana etwas Neues versuchen. Die beiden sind seit 2007 ein Paar und ergänzen sich auch bei der Arbeit sehr gut. Spoerri: «Sie ist gut im Verhandeln und im Umgang mit den Schauspielerinnen, den Regisseuren und Autoren. Sie hat ja auch beim ZFF das Gästemanagement aufgebaut. Meine Stärken sind die Entwicklung eines Produkts, es zu verkaufen und bei Hürden nicht gleich aufzugeben – ob das nun ein Film oder ein Festival ist.» Bei dieser Geschäftsreise blieb Viviana zu Hause, denn die beiden haben eine schulpflichtige Tochter, Ava (9). Was das Kino betrifft, hat die Kleine vor allem einen Fokus: Harry Potter! «Da ist sie beharrlich», sagt Spoerri lachend. «Ich habe alles mitgemacht: die Filme, das Theaterstück in London, die Zauberwelt von Harry Potter in den Universal Studios. Eine faszinierende Welt. Ich verstehe, dass man sich darin verlieren kann.» Genau wie im Film.