«Mi casa e su casa», sagt Philipp Agustoni (48) und begrüsst seinen Geschäftskollegen Manuel Landolt (43) mit einem lockeren Handschlag. In Agustonis Wohnzimmer in einem Reihen-Einfamilienhäuschen in Zufikon AG sieht es aus wie im Micasa-Prospekt. Zumindest auf den ersten Blick. «Der Teppich ist auf der Seite etwas abgewetzt – die Katze hat ihn angefressen», sagt der Hausherr. Und auf dem cremefarbenen Sofa habe es ein paar Flecken, «mit drei Kindern nicht zu vermeiden». Manuel Landolt, der mit seiner Familie in Horgen ZH lebt, schmunzelt. «Unser Zuhause ist auch voll mit Micasa-Möbeln – nur alles etwas dunkler.» Das komme seinen zwei fussballspielenden Buben und dem Hund entgegen.
Philipp Agustoni ist der bisherige CEO von Micasa. Manuel Landolt der operative Leiter der Migros Fachmarkt AG. Gemeinsam übernehmen sie das drittgrösste Möbelhaus der Schweiz. «Als klar wurde, dass die Migros Micasa abstossen will, haben wir zusammen ein Szenario erarbeitet, wie wir das Unternehmen eigenständig weiterführen können», sagt Agustoni. «Schweizer Design, ein top Preis-Leistungs-Verhältnis, gute Qualität – das wird auch ohne die Migros funktionieren. Sogar noch besser.»
Der Aargauer Agustoni hat schon seine Detailhandelslehre bei der Migros gemacht und arbeitete 30 Jahre lang im Unternehmen, einen Grossteil davon bei Micasa. Der Zürcher Manuel Landolt war 15 Jahre bei der Migros, etwa bei SportX. Die Sportfachkette wurde letzten Sommer von Ochsner Sport übernommen. «Micasa hingegen bleibt Micasa, nur die Migros im Logo fällt weg», sagt Landolt. Rund 500 Mitarbeitende wurden übernommen.
Kopf lüften: Vor Agustonis Reihen-Einfamilienhaus in Zufikon AG kommts zum Pingpong-Duell. Philipp Agustoni geht zudem gern joggen, Manuel Landolt spielt Fussball.
Nik HungerFrühlingsferien gestrichen
Mit Investoren aus Deutschland und Österreich haben Agustoni und Landolt einen Geschäftsplan für mindestens fünf Jahre entwickelt. «Über den Kaufpreis und die Besitzverhältnisse haben wir Stillschweigen vereinbart, aber uns gehört ein signifikanter Teil des Unternehmens», sagt Agustoni.
In Zufikon serviert er seinem Geschäftspartner ein Glas Rotwein. Es ist das erste Mal, dass sich die beiden zu Hause treffen. «Das müssen wir öfter machen, nächstes Mal mit der Familie», sagt Agustoni. Seine Frau arbeitet in der Pflege, Landolts Partnerin bei einer grossen Versicherung. «Die Work-Life-Balance bleibt zurzeit etwas auf der Strecke», sagt Agustoni. Drei Wochen Frühlingsferien mit der Familie in Thailand fielen bei ihm ins Wasser, dafür gibts zig Sitzungen mit der Geschäftsleitung, Filialbesuche, Lagerbesichtigungen und Telefongespräche mit Landolt bis in die Nacht.
In sechs Monaten wollen sie Micasa aus der Migros-Struktur herauslösen. Finanzen, Logistik, IT, Kundenservice, Personalplanung – alles muss neu aufgebaut werden. «Normalerweise dauert so eine Umstellung eineinhalb bis zwei Jahre. Die kurze Zeit zwingt uns dazu, uns aufs Wesentliche zu fokussieren», sagt Agustoni. Für Micasa sei die Eigenständigkeit eine echte Chance. «Bisher konnte man auf unseren Kassen noch Gipfeli tippen – jetzt können wir alles auf unsere Bedürfnisse einstellen», erzählt Landolt. Manchmal müsse er aber schon kurz innehalten und sich kneifen: «Es ist ein riesiger Hosenlupf.» Doch mit Philipp an seiner Seite habe er ein gutes Gefühl. «Bei uns stimmt die Chemie einfach.» Beide haben ursprünglich eine Lehre absolviert, haben Kinder im Teenageralter, mögen flache Hierarchien – und sind Linkshänder. «Einzig beim Fussball hört die Harmonie auf», sagt Landolt und lacht. Er ist FCZ-Fan, Agustoni GC-Anhänger.
Ab Sommer teilen sie sich ein Büro am neuen Micasa-Hauptsitz in Volketswil ZH. Für die Kundinnen und Kunden ändere sich hingegen wenig. «Die Filialen bleiben genauso bestehen wie die Kleinformate Micasa Home in Einkaufszentren und an gut frequentierten Lagen», sagt Agustoni. Sofas Probe sitzen, Stoffmuster anfassen – das Bedürfnis nach physischen Läden sei nach wie vor da, auch wenn das Wachstum vor allem online stattfinde.
Agustoni ist für den Verkauf und den kommerziellen Teil verantwortlich, Landolt für Logistik, Kundendienst, Lieferketten und HR.
Nik HungerAbheben mit Schweizer Design
Pfister, Lipo, Conforama – sie alle wurden vom österreichischen Möbelriesen XXXLutz geschluckt. Und doch sind die beiden überzeugt, dass Micasa am Markt eine Chance hat. «Weil die Leute gern bei einer Schweizer Firma mit Bezug zur Schweiz einkaufen», sagt Agustoni. Die grosse Nachfrage nach den Stücken aus den Kollaborationen von Micasa mit Schweizer Designern wie Sonnhild Kestler oder Julian Zigerli würden dies unterstreichen. «Dinge zu machen, die es bei Ikea genauso gibt, ist hingegen der falsche Weg.»
Radikaler als das Angebot müsse sich das Unternehmen selber verändern. In der Migros-Kultur gebe es für alles eine zuständige Person. «Wir hingegen müssen eine KMU-Kultur entwickeln: Jede und jeder soll so handeln, als wäre das Unternehmen das eigene.» Da seien sie als Chefs natürlich gefordert. Landolt hebt sein Weinglas: «Das packen wir!»