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  4. Influencer: Trend Sinnfluencer und Online-Aktivismus

Am Strand für einen guten Zweck

Was bringt dieser Influencer-Aktivismus wirklich?

Jeden Tag möchten Menschen die Welt verändern. Dafür tauchen sie mit Haien, kuscheln mit Kängurus und teilen all das auf Social Media. Aber wie sinnvoll ist dieser Netzaktivismus wirklich?

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Instagram-Schwergewicht und Aktivistin Brinkley Davis am Strand in Australien

Am «sinnfluencen»: Post von Instagram-Schwergewicht und Aktivistin Brinkley Davis (mit kleinem Känguru) am Strand in Australien.

Instagram @brinkleydavis

Alles so schön hier – auf Instagram. Ein Schauplatz für Narzisten*innen. Damit ist die Plattform bekannt geworden. Als Instagram 2010 startete, ging es vor allem um gutes Aussehen und noch bessere Fotos. Inzwischen ist es aber auch ein Ort, an dem Meinungen geäussert werden. Zu Influencern und Inflencerinnen, die das schöne Leben promoteten, kamen mit der Zeit Sinnfluencer*innen dazu, denen es stärker um Aktivismus und Verantwortung geht. 

Wir brauchen keine erhobenen Zeigefinger. Wir brauchen Beispiele.

Greta Thunberg, 17, ist eines der bekanntesten Beispiele. Protestierte sie auf den Bildern ihres Instagram-Accounts anfangs noch alleine auf der Strasse, versammeln sich heute ganze Menschenmassen hinter ihr. 2018 begann sie an Freitagen der Schule fernzubleiben. Aus diesen Streiks, bei denen sie für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens demonstrierte, entwickelte sich die globale Bewegung «Fridays For Future». 

Mittlerweile folgen der Schwedin über zehn Millionen Menschen auf Instagram und wurden dort auch Zeugen ihrer Hin-und-Rückreise von Europa nach Amerika mit dem Segelboot. Auf dem Heimweg fuhr sie dabei an Bord des Bootes des australischen Weltumseglerpaares Elayna Carausu, 26, und Riley Whitelum mit. Die beiden sind ebenfalls sehr erfolgreich auf Instagram (zusammen fast 700k Abonnenten) und ihrem Youtube-Kanal «Sailing La Vagabonde».

Seit 2014 posten die beiden aus ihrem emissionsarmen Leben auf der Segelyacht (Antrieb: Solarenergie, Wasserkraft – und Wind natürlich). Mit Baby Lenny kam vor über einem Jahr ein drittes, bereits sehr reichweitenstarkes (knapp 80k Follower) Besatzungsmitglied dazu. Ihr spartanisches Leben finanzieren sie mit den Mitgliederbeiträgen ihrer über 1,4 Millionen Youtube-Abonnenten. Alle Einnahmen, die sie nicht zum Leben brauchen – auch die von Elaynas nachhaltigem Bademoden-Label Vaga Bella Swim – werden gemäss eigenen Aussagen an wohltätige Organisationen gespendet. 

Trend: Sinnfluencer-Dasein

Sinnfluencer sind im Mainstream angekommen und keine Nischen-Erscheinung mehr. Wer deshalb als Sinnfluencer auf Social Media trotzdem noch auffallen und Aufmerksamkeit erregen möchte, braucht Bilder, die auf den ersten Blick funktionieren, sonst sind die Betrachter*innen schnell wieder weg. Denn es wartet immer schon ein weiteres – schöneres, knalligeres, aussagekräftigeres – darüber, darunter. Ocean Ramsey, 33, (über eine Million Abonnenten) ist da mit ihren Fotos klar im Vorteil.

Die ehemalige Tauchlehrerin postet regelmässig Bilder von unter dem Meer. Die Hawaiianerin ist Meeresbiologin und Umweltaktivistin. Ihre Mission ist es, die Welt aufzuklären, wie übel die vom Aussterben bedrohten weissen Haie mit Blockbustern wie «Jaws» (1975) beleumundet wurden. Die seien nämlich keine ständig unter Blutrausch stehenden Tötungsmaschinen. Zum Beweis taucht sie – ohne jeglichen Schutz – mit den Tieren und teilt die Fotos anschliessend mit ihren Followern.

Sind Sinnfluencer sinnvoll?

Dem aktuellen Reuters Institute Digital News Report zufolge sehen sich ein Viertel der Internetnutzer im Alter von 18 bis 24 Jahren bei Instagram regelmässig Nachrichteninhalte an. Damit hat Instagram Plattformen wie Facebook und Twitter als News-Quelle mittlerweile überholt. Die Frage danach, wie sinnvoll es ist, via der Plattform zu aktivieren, erübrigt sich also ziemlich schnell. Vielleicht sollte die Frage aber eher lauten: Waren politischer Protest und Aktivismus ohne Internet tatsächlich besser?

Es braucht definitiv Präsenz in der realen Welt, aber Tatsache ist, dass uns das Netz (vor allem die sozialen Medien) mit einer aussergewöhnlichen Effizienz neue Ideen und Informationen erschliessen lässt. Natürlich sind Posts auf Instagram weniger politisches Instrument als Online-Kommunikation. Aber die Kommentarspalten darunter, die machen sie zum Netz-Megafon. Mit allen Vor- und Nachteilen: Im besten Fall ist ein Aufruf auf Instagram eine Bereicherung für den öffentlichen Diskurs, wenn er Themen jenseits politischer oder medialer Agenda in den Fokus rückt. Im schlechtesten Fall sind die Comments nur Ressentiments und Stammtischparolen. Ein Grossteil davon versandet unbeachtet...

Mit grosser Kelle anrichten

Dass es auch anders geht, zeigen eben unsere bereits sehr erfolgreichen Influencer*innen aka Sinnfluencer*innen, denn: Die Generation Instagram weiss nun mal, wie man mit Visuellem reizt. Sie weiss, wie man Geschichten via Social Media erzählt. Sie versteht, welche Bilder funktionieren, wie sie gesehen und damit schliesslich auch gehört werden. Es ist eine Generation, die zu «Fridays For Future» auf die Strasse geht, wo junge Frauen Reden halten (@gretathunberg) und diese multimedial begleiten.

Es ist eine Generation, die ihren Lifestyle für die breite Öffentlichkeit mit einer Kamera dokumentiert (@elayna.carausu) und dabei teilweise mehr Views generiert als es manche Superstars mit ihren Konzertübertragungen schaffen. Eine, die den Konsum nachhaltig und spielerisch gestaltet (@pennytovar). Und eine, die tausende Likes bekommt, wenn sie uns bildgewaltig vor Augen führt, wie desaströs unser Umgang mit den Ozeanen und deren Bewohnern ist (@oceanramsey). Die schöne-heile-Welt-Blase platzt nun mal nirgendwo schöner als auf Instagram.

Von Rahel Zingg am 31. Mai 2020 - 16:09 Uhr