Was versteht man unter Stonewalling?
Katrin Lukas: Der Begriff «Stonewalling in Beziehungen» wird verwendet, um das Verhalten einer Person zu beschreiben, die sich emotional oder kommunikativ zurückzieht und sich weigert, weiter an einem Dialog teilzunehmen. Es geht dabei um eine Form des passiven Widerstands oder darum, sich selbst zu schützen. Die Person zieht sich innerlich zurück, schweigt oder verhält sich dabei ablehnend.
Wie äussert sich Stonewalling?
Es zeigt sich ganz unterschiedlich, beschreibt aber stets eine Form der Weigerung, in Kontakt zu sein. Meistens bei bestimmten Themen oder Konflikten. In Paarbeziehungen äussert es sich häufig so, dass Gespräche über bestimmte Themen nicht stattfinden, weil eine oder einer das Gespräch verweigert oder durch ablehnendes Verhalten ins Leere laufen lässt. Oft wird durch Ablenken, Auf-später-Vertrösten oder durch vage Antworten auf Fragen den Themen ausgewichen.
Warum betreiben Menschen Stonewalling?
Es kann aus einer Überforderungssituation entstehen und ist eine Strategie der Stressbewältigung beziehungsweise des Selbstschutzes. Der Stress entsteht durch Angst und Überforderung. Bei Stress reagiert unser Körper mit Kampf, Flucht oder Erstarrung. Durch aktive Vermeidung von Situationen oder Verlassen der Situationen wird versucht, sich vor unangenehmen Gefühlen zu schützen. Zum Beispiel: Statt das schwierige Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner zu führen, weichen Betroffene diesem aus. Neben der physischen Flucht gibt es aber auch eine Flucht nach innen. Betroffene ziehen sich innerlich zurück und versuchen, sich so zu schützen – nach aussen wirken sie abweisend. Im Moment schützt sich die Person zwar vor der schwierigen Auseinandersetzung, aber der Konflikt selbst wird nicht gelöst.
Haben Sie konkrete Beispiele für Stonewalling?
Ein Beispiel: Ein Paar kommt von einer Party zurück. Die Partnerin sagt zu ihrem Partner vorwurfsvoll: «Du hast dich auf dem Fest nur mit anderen Personen unterhalten. Ich bin nicht mehr interessant für dich.» Die Partnerin schweigt daraufhin, dreht sich weg und spricht drei Tage nicht mehr mit ihrem Partner. Oder ein anderes Beispiel: Eine Frau mit Kinderwunsch möchte mit ihrem Mann über das Thema reden, sie hat schon viele Anläufe genommen. Er weicht abermals aus, sagt, er habe im Moment zu viele berufliche Belastungen, und vertröstet sie auf später. Er nimmt das Gespräch aber auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr auf.
Wie geht der Lieblingsmensch am besten mit diesem Verhalten um?
Betroffene Paare finden selten von selbst aus diesem Kreislauf heraus. Es braucht den Blick von aussen, zum Beispiel durch eine Paartherapie. Diese kann in einem ersten Schritt normalisieren. In den Sitzungen können Paare Strategien entwickeln, um aus ihrem Kreislauf auszubrechen, sich anders zu begegnen. Ihnen wird es dadurch möglich, sich selbst zu beruhigen, um in Kontakt zu bleiben, Pausen einzufordern und sich trotz grosser Spannung einzubringen. Ein weicher, neutraler und liebevoller Blick kann zudem helfen, den Kreislauf nicht als persönliches Defizit zu sehen, sondern als eine Dynamik, die sich in der Beziehung abspielt. Den Gründen für die Paardynamik auf die Spur zu kommen, kann ein hilfreicher Schritt für das Paar sein. Der Fokus ändert sich dadurch: weg vom Anschuldigen und Mauern hin zum gemeinsamen «Feind», dem Kreislauf.
Wie kann diese Kommunikationsblockade überwunden werden?
Es kann sein, dass Stonewalling nur bei bestimmten Themen stattfindet und dass die Kommunikation sonst gut funktioniert. Wenn das Mauern in einer Beziehung jedoch über eine längere Zeit zu einer festen Gewohnheit geworden ist, wird es relativ schwer, dies ohne Unterstützung zu ändern.
Was raten Sie betroffenen Paaren: Gibt es einen Lösungsansatz?
Stonewalling sollte früh angesprochen werden, je länger es stattfindet und sich manifestiert, umso mehr verschlechtert es die Paarkultur. Eine mögliche Lösung ist, zu betrachten, was hinter der Stressreaktion steht: Wovor hat die Person so Angst? Sobald die Person die Ursache erkennt, kann sie lernen, die eigenen Bedürfnisse und Interessen in die Beziehung einzubringen, auch wenn das Gegenüber andere Bedürfnisse hat. Und so auch lernen, die eigenen Gefühle anzusprechen. Sobald sämtliche Bedürfnisse auf dem Tisch liegen, kann das Paar damit umgehen: Plötzlich sind Dinge möglich, die vorher durch all die Befürchtungen zugeschüttet waren. Es werden kreative Lösungen gesucht und gegenseitiges Verständnis und Interesse spürbar. Daran wächst die Beziehung.