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  4. Weleda: Das Schweizer Unternehmen will die Welt verbessern

Mission seit hundert Jahren

Weleda will die Welt verbessern

Seit hundert Jahren hat Weleda eine ­Mission: Mensch und Natur in Einklang zu bringen. Heute trifft die Schweizer Firma damit den Nerv der Zeit.

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 Weleda GRUEN 04/21

Michael Brenner ist Teil der vierköpfigen Geschäftsleitung bei Weleda. Er ist in Arlesheim BL aufgewachsen, wo sich der Firmenhauptsitz befindet.

Phil Müller

Wer bei einem Firmenbesuch die Form eines Duftes beschreiben soll, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit bei Weleda gelandet. Christoph Lüthi blickt einen dabei geduldig an. «Manchmal ist es gut, ausserhalb der Normen zu denken, oder?» Trotz Gehstock führt der Pensionär und ehemalige Aussendienstmitarbeiter zügig durch die Gänge am Hauptsitz in Arlesheim BL.

Beim Laborsaal macht er halt, zeigt auf die Tausenden von Fläschchen mit ätherischen Ölen und Pflanzenextrakten – der Essenz von Weleda, seit hundert Jahren. Damals, zwischen zwei Weltkriegen, eröffnen Rudolf Steiner und Ita Wegman in Arlesheim das erste anthroposophische Krankenhaus. Ihr Ziel: Mensch und Natur für eine bessere Zukunft in Einklang zu bringen. Wenig später wird Weleda gegründet, um natürliche Heilmittel und Kosmetik herzustellen. Dafür legt man im deutschen Schwäbisch Gmünd den allerersten biologisch-dynamischen Heilpflanzengarten an.

Gärten in der ganzen Welt

Heute pflegt Weleda acht solcher Gärten weltweit. Einen davon in Arlesheim. «Sehen Sie», sagt Christoph Lüthi und lässt ein paar Calendulasamen in seine Handfläche rieseln, «drei verschiedene Formen.» Das habe die Natur so geschaffen, um die Verteilung durch Tiere, Wind und Insekten zu begünstigen. «Das ist doch unglaublich!»

 Weleda GRUEN 04/21

Christoph Lüthi arbeitete 32 Jahre bei Weleda, heute führt er Gäste durch die Produktion und den Heilpflanzengarten.

Phil Müller

Bei einem Biotop treffen wir Michael Brenner, Mitglied der Geschäftsleitung. Ihm sind Gespräche draussen in der Natur am liebsten. Anstatt Sitzungen gebe es darum ab und zu eine «Laufung». Das ergibt durchaus Sinn: Umgeben von Lavendel und Hagebutte, lässt sich die Philosophie von Weleda besonders gut erleben. Denn im Fokus stehen auch nach hundert Jahren noch immer die Qualität der Rohstoffe und die Natürlichkeit – obwohl der Konzern mittlerweile 2500 Personen beschäftigt und 424 Millionen Franken Umsatz im Jahr macht. «Profit war und ist niemals ein Ziel gewesen, sondern einfach nur eine Notwendigkeit», sagt Michael Brenner. «Für Weleda geht es zuerst darum, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.»

Was utopisch klingt, gelingt tatsächlich. Das belegen auch die Zahlen. So wird zum Beispiel dank dem biologisch-dynamischen Anbau, der gänzlich ohne Chemie auskommt, mehr CO2 im Boden gebunden als ausgestossen. Anhand des «True Cost Accounting» lässt sich ausrechnen, welche Kosten ein Produkt gesamtgesellschaftlich verursacht. Das bedeutet, dass nicht nur die direkten Produktionskosten, sondern auch die ökologischen und sozialen Folgekosten eingerechnet werden.

Der biologisch-dynamische Anbau gibt der Natur etwas zurück

Im Fall des Bitterorangen-Anbaus in Ägypten ergibt sich ein Nutzen von 3.60 Franken pro Kilogramm. Zum Vergleich: Konventionell angebaute Bitterorangen erzeugen einen Schaden von 4.90 Franken. Auch die internationalen Anbaupartner sollen profitieren. «Wir sind seit 2012 Mitglied der Union for Ethical Biotrade», sagt Michael Brenner. Der gemeinnützige Verein steht für die respektvolle Beschaffung von natürlichen Rohstoffen und die Förderung von Biodiversität. «Zudem setzen wir über unser neues Ein-Prozent-Programm einen Hundertstel unseres jährlichen Umsatzes zur Förderung von Klimaschutz, Biodiversität und sozialer Verantwortung ein. Das sind über vier Millionen Franken.»

 Weleda GRUEN 04/21 GRUEN 04/21 Unternehmen Weleda HO

Seit hundert Jahren die gleiche Formel: Die heutige Skin Food Creme hiess früher Everon Hautcreme und gehört zu den Klassikern. 

BARBARAvonWoellwarth

Die Herstellung – mit hundert Prozent Ökostrom – und die Produkte sollen so nachhaltig wie möglich sein. Ein Anspruch, der auch für die Verpackungen gilt. Besonders bei reinen Naturprodukten ohne chemische Zusätze ist das eine Herausforderung. Die neuen Flaschen der Körperlotionen bestehen zu 97 Prozent aus recyceltem Kunststoff. «Unsere Vision ist es, in Zukunft vielleicht sogar ganz auf Verpackungen zu verzichten», sagt Michael Brenner. In Deutschland laufen bereits erste Tests mit Refill-Stationen.

 Weleda GRUEN 04/21

Im firmeneigenen Garten können sich Mitarbeitende genussvoll erholen.

Phil Müller

Er selber packt zum Einkaufen auch immer ein paar leere Gläser ein. «Meine Frau und ich posten fast nur in Unverpackt-Läden. Zudem haben wir auf einen plastikfreien Haushalt umgestellt», erzählt Brenner. Früher hätten sie in einer Woche ein bis zwei 35-Liter-Säcke gebraucht – heute sei es noch alle zwei Wochen ein 17-Liter-Sack. Die Arbeit bei Weleda ermutige, die Dinge ganzheitlich anzuschauen und für Unkonventionelles offen zu sein. So hat die Firma seit vier Jahren keinen allein führenden Chef mehr, sondern wird kollegial geleitet. Den obersten Posten teilen sich vier Personen. «Das funktioniert ausgezeichnet.»

So viel Begeisterung steckt an. Also die Augen schliessen, das Duftfläschchen zur Nase führen, tief einatmen. Tatsächlich: Orangenschale duftet rund.

Von Lisa Merz am 27. Oktober 2021 - 11:21 Uhr