Es gibt Szenen, die werden einem auf den Leib geschneidert – wegen des Leibes. Eine eben solche ist derzeit in der zuckersüssen US-Netflix-Serie «Emily in Paris» zu sehen, als die arrogante Chefin der Protagonistin Emily den Fluten der Côte d'Azur entsteigt. Im Bikini. Sie weiss, dass alle schauen. Aber da sie french ist: selbstgefälliges «je ne sais quoi». Die Kamera hält drauf. Strandbesucher*innen und Zuschauer*innen staunen. Vor allem, weil Schauspielerin Philippine Leroy-Beaulieu, die sich als arrogante Sylvie aus dem glitzernden Nass schält, 58 Jahre alt ist. Das ist deswegen unverschämt, weil sie so unverschämt gut aussieht. Gestählt und straff, ohne künstlich glattgezogen zu sein. Gereift wie guter Wein.
Nun ist das ja aber alles Illusion. Weil ja TV. Alles nicht echt. So artifiziell wie der affektierte Charakter der Hauptdarstellerin Emily, gespielt von Lily Collins. Kürzlich besass Philippine Leroy-Beaulieu jetzt aber die Frechheit, als sie selbst bei einer Fashion Show des Labels Ami zu erscheinen. In Paris. Da, wo sie die nonchalante Sylvie für den Streamingdienst-Giganten spielt. Zwar nicht im Bikini, aber in einem smaragdgrünen Kleid, lässig übergeworfen: der typisch französische Oversize-Mantel. Das Kleid ist langärmelig, der Saum reicht bis zu den Knöcheln, hochgeschlossen – und doch führte die coolste aller Netflix-French-Girls ein Naked Dress spazieren. Weil: durchsichtig. Ein nass schimmerndes (kam sie doch wieder aus dem Meer?), transparentes Etwas spannte sich sanft über Nippel (OMG! Alarm, Alarm!) und den stahlharten Bauch. Das Blitzlichtgewitter kam aus dem richtigen Winkel, es hagelte grosse Augen.
Hier nochmal eben ohne Mantel, weils so schön ist:
Nacktes Entsetzen Ü55 – mitnichten
Was lernen wir aus diesem Anblick? Für Sex-Appeal ist man nie zu alt, Erotik kennt keine Grenzen. Auch im echten Leben nicht. Warum sollte ein Nippel mit fast 60 peinlicher sein als ein 25-jähriger? Ein Körper ist ein Körper ist ein Körper. Mit seinem oder ihrem darf jede*r machen, was er oder sie will. Da kann man was drüberziehen (mal mehr, mal weniger) oder eben nicht. Alles ok. Was nicht ok ist: Frauen auch 2022 noch als Summe ihrer sexualisierbaren Körperteile zu erfassen und ihnen mit fortschreitendem Alter gewisse Privilegien abzusprechen. Zugegebenermassen hat die 58-jährige Philippine Leroy-Beaulieu für ihr Gesamtkunstwerk vermutlich so einiges gemacht. Sport vielleicht. Sich gesund ernährt möglichweise. Sich von den richtigen Eltern mit den optimalen Genen zeugen lassen unter Umständen. Da nicht stolz zu sein, wäre die wahre Schande. Die nackte Wahrheit lohnt sich meistens. Für alle von uns. Unabhängig von Alter und Kleidergrösse. Amen et au revoir.