Wir schreiben den 18. November 2018: Zehn Tage nach der Victoria’s Secret Show veröffentlicht die New York Times einen offenen Brief an das Unternehmen, das ein bisschen aus der Zeit gefallen scheint. Darin bittet die Verfasserin Heidi Zak das Label, endlich damit aufzuhören, Frauen vorzuschreiben in welche Grössen sie passen müssen, um sexy zu sein. Sie schreibt: «Wir glauben, die Zukunft gehört den Marken, die Frauen unabhängig von ihrer Körperform, ihrer Größe, ihrem Alter, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexuellen Orientierung beurteilen.» Für Victoria’s Secret, die Model-Anwärterinnen mit einem Taillenumfang von mehr als 60 Zentimetern direkt aus dem Rennen kicken und bis heute auf Plus-Size- oder Transgender-Models verzichten, eine ziemliche Ansage. Die Verfasserin des Briefes weiss, wovon sie spricht. Sie ist die Co-Gründerin und -Chefin von ThirdLove. Einem Unterwäschelabel, dass sich Body Positivity und Inklusivität auf die Fahne geschrieben hat – und VS-Marketingchef Ed Razek nicht erst seit gestern ein Dorn im Auge ist.
Bleibt Victoria’s Secret die erste Liebe?
Der Brief in der Times kommt daher auch nicht von irgendwo. In einem vorangehenden Interview mit der Vogue schoss Razek direkt gegen Heidis Label. Mit den Worten «We’re nobody’s third love. We’re their first love» schloss er seinen fragwürdigen Erklärungsversuch, warum Victoria’s Secret seinen glitzernden Catwalk noch immer ausschliesslich Körpertypen à la Bella und Gigi Hadid vorbehält. Auch Online ist bei 90DDD Schluss.
Third Love hingegen führt ganze 78 BH-Grössen, die Range reicht von 65AA bis 110I und schliesst auch halbe Cups ein. Dazu kommen Nude-Töne für verschiedene Hautfarben und Models, die ohne Retusche auskommen und genauso vielfältig sind, wie Frauen im «echten» Leben. Mit einer App sowie einem kurzen Online-Fragebogen soll ausserdem garantiert werden, dass jede den perfekten BH findet – auch wenn ihre bisherigen Modelle nicht ideal sassen. Um ganz sicher zu gehen, kommt jeder Bra mit einer «Bedienungsanleitung». Und sorry, selbst wir haben nach diesem Twitter-Post kurz unser gesamtes Leben hinterfragt:
Seitenwechsel
Wer mit seiner Strategie besser fährt, zeigen die Zahlen. Während Forbes schätzt, dass sich der Wert von Victoria’s Secret mittlerweile halbiert hat, läuft es für ThirdLove wie am Schnürchen. Heidi Zak, die ihr Label gründete, weil sie selbst keinen perfekt passenden BH finden konnte, verkündete erst Ende Februar ein Investment über 68 Millionen Dollar in ihr Unternehmen. Die Gelder kommen von grossen Namen wie YouTube CEO Susan Wojcicki und L. Catterton, einem Fondunternehmen, dass zu Teilen dem Luxuskonzern LVMH gehört. Die passende Kampfansage gegen den Giganten formulierte Heidi Zak in ihrem offenen Brief bereits selbst: «Wir waren vielleicht nicht die erste Liebe der Frauen, aber wir werden ihre letzte sein.» Der Ring wäre damit offiziell eröffnet.