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  4. Warum tragen im Sommer 2019 alle Hüte?

Reine Kopfsache

Woher kommt eigentlich dieser Hut-Hype?

Nie hingen so viele Hüte in den Läden: Schiebermützen, Caps, Bucket Hats, riesige Strohhüte, breitkrempige Schlapphüte. Es scheint, als gehöre der Hut diesen Sommer zu einem guten Look wie eine tolle Tasche oder schöne Schuhe. Aber was soll diese Sucht, sich zwingend den Scheitel zu schmücken und den Kopf zu bedecken?

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Hüte

Letztes Jahr warf Jacquemus den Monster-Strohhut auf den Markt und die schönen Köpfchen aller wichtigen Menschen. Diesen Sommer ist die Vielfalt so gross, man muss stapeln.

instagram/jacquemus

Ein Hut, so ausladend, dass der Körper drunter beinahe vollständig verschwindet. Der «La Bomba»-Strohhut von Jacquemus war letzten Sommer nicht das Accessoire, sondern das Outfit des Jahres. Und so (oder so ähnlich) kam der Stein ins Rollen. Hut tut gut, der Hut als Flut. Das monströse Ding riss sämtliche Farben und Formen mit, allen voran den Bucket Hat, der neben dem Strohhut an vorderster Front/Stirn sitzt. Die Instafeeds und Shop-Sortimente scheinen die Vermutung zu bestätigen: Die Hut-Dichte hat ihren Peak erreicht.

Spielwiese Hutkrempe

Dabei sitzt so ein Hut ja immer ganz oben und nah am Gesicht. Er ist somit auch das Erste, was man sieht. So ein Hut schreit nicht nur «Ich möchte keinen Sonnenstich», sondern auch «Sieh mich an!». Ein Hut braucht einen charakterstarken Menschen unter sich, die Wenigsten können ihn tragen ohne verkleidet auszusehen, können ihn mit der so unentbehrlichen Selbstverständlichkeit tragen. Und trotzdem stülpt sich jeder einen über? Das Medium der Fotografie kommt einem da natürlich zugute. Im Standbild lässt es sich ganz gut vertuschen, dass man nicht den Hut trägt, sondern er einen trägt. Abgesehen davon, dass so ein «La Bomba»-Strohhut eh jegliche selbstbestimmte Bewegung erschwert, stellt sich die Frage da schon: Lieben wir den Hut der Inszenierung wegen?

Der Influencer zumindest hat eine neue Marionette gefunden. Mit so einem Hut kann man wunderbar spielen, Schattenwürfe erzeugen und sich drunter verstecken. Und ja, vielleicht spiegelt der Hut-Hype auch unsere sozial vernetzte Gesellschaft wieder: Man möchte um jeden Preis wahrgenommen, gesehen werden, scheut kein Theater. Sich dann der kompletten Sichtbarkeit, ja Transparenz vollständig auszuliefern, macht Angst. Da hält man sich dann eben doch lieber bedeckt. Der Hut schlägt die Brücke.

Immer auf der Hut

Die Angst. Die kann man derzeit vor relativ vielem entwickeln. Die politische Lage ist gruselig, das Klima ebenso. Die Möglichkeiten sind endlos, fast so wie bei der Wahl des Kopfbdeckungstypus. So ein Hut schützt, auch wenn es noch so viel Schei**e regnet. Hirn und Haare bleiben trocken. Der niedliche Strohhut mit Schleife unterm Kinn hindert den Hut sogar beim grössten Sturm, sich selbstständig zu machen. Der Hut ist ein sicherer Wert. Und nichts braucht der Mensch derzeit mehr in einer Welt des Überflusses.

Auch ein einziger Trend allein reicht uns schon lange nicht mehr. So läuft der modische Mensch oft Gefahr, so viel wie möglich zu verwursten. Der geile Sneaker zur Sportsocke mit Fusskette obendrüber. Dazu ein Blümchenkleid mit Puffärmeln – gewärmt vom Oversized-Blazer, im Dekolleté blitzt die Muschelkette. Und wie toppen wir den Look? Mit Mini-Bag? Joa und Bucket Hat! Zu viel gibts nicht, wir wollen immer mehr, immer weiter, immer höher! Ein Hut setzt schliesslich noch immer schön einen drauf und befriedigt die Trend-Gier.

Na dann: 

Von Linda Leitner am 29. Mai 2019 - 16:30 Uhr