1. Home
  2. Style
  3. Lifestyle
  4. Auto Design: Gael Buzyn präsentiert für Audi ihr Activesphere Concept

Digitalisierte Mobilität

Gael Buzyn plaudert aus dem Design-Nähkästchen

Die Schweiz inspiriert Audi-Designer Gael Buzyn auf Schritt und Tritt – und auch seine Studie Audi Activesphere Concept.

Artikel teilen

Audi Auto Style

Das Styling des viertürigen Crossovers Audi Activesphere Concept entstand von der ersten Skizze an allein virtuell am Computer.

ZVG

Gael Buzyn ist aufgeregt. Nicht so, dass die Nerven wild flattern würden, aber doch ein wenig. Gleich soll er das von ihm verantwortete Audi Activesphere Concept auf einer Bühne im Radisson Blu Hotel Reussen in Andermatt UR vor grossem Publikum präsentieren. Eigentlich ein Routinejob für einen Designer. Aber seitdem die Digitalisierung selbst vor seinem Handwerk nicht haltmacht, wird jede analoge Begegnung mit seinen Projekten auch für ihn zum spannenden Moment: «Wir arbeiten in der gesamten Entwurfsphase rein digital. Deshalb ist es immer wieder überwältigend, am Ende des Prozesses das Auto real vor mir zu sehen. Wenn es so herausgekommen ist, wie man es erdacht hat – das ist pure Magie.»

Virtual Reality trifft auf Transportdesign

Seit 2018 leitet der 51-jährige Franzose das Audi Design Loft Malibu im US-Bundesstaat Kalifornien. «Wir sind Tausende Kilometer entfernt vom Audi-Hauptquartier in Ingolstadt, aber ein integraler Bestandteil, und wir diskutieren mit Kolleginnen und Kollegen wie Chefdesigner Marc Lichte unsere Entwürfe, als wären wir im selben Raum.» Von Hand in Form geschabte Tonmodelle wie einst sind dabei längst passé: «Virtual Reality macht transatlantische Kooperation in Echtzeit möglich.» Und VR ist eine Voraussetzung für das innovative Cockpit des Activesphere Concept. Tasten, Regler und Anzeigen werden per Augmented-Reality-Brille ins Blickfeld der Passagiere projiziert. Übernimmt man selbst das Steuer, klappen ein analoges Lenkrad und minimale Instrumente aus den Tiefen des Cockpits auf. Autonom gelenkt, stören sie so nicht, und es lässt sich entspannt virtuell zum Beispiel durchs Musikarchiv stöbern wie durch die heimische Vinylsammlung.

Audio Auto

Je reduzierter und klarer, desto besser – das ist Gael Buzyns Maxime auch bei der Gestaltung von Cockpit und Interieur.

Graeme Fordham

Der fast fünf Meter lange Crossover mit vier Einzelsitzen ist End- und Höhepunkt in Audis Serie von Sphere-Studien. «Nach den ersten drei hatten wir das Gefühl: Da fehlt noch was», sagt Buzyn. Der Activesphere fasst nun das Wichtigste zusammen: Den elektrischen Allradantrieb, einen innovativen Innenraum, die autonome Steuerung. Und schaut dabei am weitesten in die Zukunft als Verbindung eines eleganten Viertürer-Coupés mit der Solidität eines SUV. «Im Activesphere Concept kommt man überall hin und hat genug Stauraum, um jede Sportausrüstung mitten hinein in die Natur zu transportieren», erklärt Buzyn.

Pariser Hektik vs. Walliser Ruhe

Auf Knopfdruck öffnet sich im Heck gar eine Pick-up-ähnliche Landefläche samt Buchsen zum Laden aufgeschnallter E-Bikes. Auch das Parkierproblem hat Buzyn gelöst: «Das Auto setzt dich ab und fährt autonom zum Treffpunkt am Ende des Biketrails.» Wo sonst liesse sich solch ein abenteuerlustiges Concept Car glaubwürdiger präsentieren als inmitten der Urner Gipfel? Als Kind pendelte Buzyn zwischen Pariser Hektik und Walliser Ruhe. Ungezählte Wochenenden verbracht er mit seiner Familie bei Freunden in Crans-Montana, ging, wann immer möglich, hinaus in die Berge. Und versuchte, den Eltern – Psychologin und Chirurg – seine Leidenschaft fürs Autodesign schmackhaft zu machen. «Aber mein Vater meinte, ich solle doch lieber einen seriösen Beruf ergreifen», sagt Buzyn. Also zunächst ein Architekturstudium in Paris, dann erst der Master in Transportdesign – und gleich danach der erste Job bei Citroën. Über VW und Cadillac führte ihn sein Weg schliesslich nach Malibu. Ein Traumjob? «Im Grossraum Los Angeles sprudelt die Autokultur. Kaum gehe ich vor die Türe, sehe ich fantastische Autos. Supercars, Klassiker, neue Modelle, Hot Rods. Pure Inspiration.»

Audio Auto

Statt über unzählige Tasten oder komplizierte Bildschirmmenüs schaltet und waltet man im Activesphere Concept per projizierter Augmented Reality.

ZVG

Schweizer Authentizität

Doch ebenso wichtig ist ihm die Schweizer Designtradition: «Ich kenne kein Land, wo man ständig so hochklassigem Design begegnet und immer wieder frische Anregungen erhält», sagt Buzyn. «Damit meine ich nicht nur das Industriedesign à la Swiss Style, die Architektur oder die Grafiktradition der Schweiz. Selbst Alltäglichkeiten wie die Fahrpläne der SBB sind perfekt gestaltet.» Als Designer schätze er besonders die Authentizität: «Schauen Sie sich um hier im Hotel: Holz, Stein, Wolle. Die verwendeten Materialien stammen aus der Region, und man begegnet ihnen auch überall in der Natur.» Auch die Bauhaus-Lehre der Form, die der Funktion folge, leitet Buzyns Arbeit. Keine Linie zu viel gäbe es am Activesphere Concept, und jede habe ihren Sinn. Die Bauhaus-Schule habe den Kern guten Designs erkannt. Und der wäre? «Nehmen Sie historische Schweizer Häuser: Beim Bau orientierte man sich an Klima und Natur und griff die Bedürfnisse ihrer Bewohner auf, ganz unabhängig vom Zeitgeist. Viele werden noch immer genutzt – bis in die Gegenwart. Welchen besseren Beweis für die Qualität eines Entwurfs könnte es geben?»

«Ich kenne kein Land, wo man ständig so hochklassigem Design begegnet und immer wieder frische Andregungen erhält.»

Etwas von Dauer zu schaffen und gleichzeitig die gesellschaftliche Dynamik und neue Lebensstile aufzunehmen, das treibt Buzyn an: «Ich liebe Autos, liebe es, sie zu gestalten. Aber noch spannender ist es, die Zukunft der Mobilität zu entwerfen.» Wie das Activesphere Concept, für dessen Präsentation es nun höchste Zeit wird. Und danach? «Ich habe mir neue Ski gegönnt – Schweizer Ski», grinst Buzyn. Die wolle er später unbedingt noch ausprobieren.

Harte Fakten zum Audi Activesphere Concept

Abmessungen: Fast drei Meter Radstand schaffen in dem fast fünf Meter langen Vierplätzer viel Platz für einen Lounge-artigen Innenraum.

Antrieb: Die Leistung ist bei dieser Studie gar nicht so wichtig, aber der Allradler soll bis zu 600 Kilometer dank 800-Volt-Technologie schaffen.

Ausstattung: Hightech versteckt sich in der Augmented Reality, für Naturnähe und Frischluft sorgen zum Beispiel Holzlamellen im Cockpit.

Autonomes Fahren: Wen der Bike-Ausflug ermüdet hat, der streckt sich im Liegesitz aus und lässt sich automatisiert nach Hause chauffieren.

Von Andreas Faust am 2. April 2023 - 10:00 Uhr