Meine Mutter hat kürzlich ein Baby zwischen die Fotos auf unserem Familienschrein geschmuggelt. Ein Bild vom Enkel einer Freundin. Getroffen hat sie den Säugling nie. «Naja, solange von dir kein Baby kommt, stell ich eben irgendeins auf.» Sie hat gegrinst, während sie das gesagt hat, ich habe gelacht. Aber irgendwie ist es nicht lustig. Ist sie (als Nicht-Oma) verzweifelt oder habe ich versagt? Muss ich meine Pläne vorantreiben? Aber Hilfe! Meine (Fern!)Beziehung ist erst ein halbes Jahr alt. Das «erst» nimmt dabei ausser mir niemand wahr. Was zählt ist: Ich habe neuerdings einen Partner und jetzt soll alles ganz schnell gehen.
Leben am Limit
Ich bin niemand, der oft in Beziehungen war. Und nun freuen sich alle wie kleine Kinder, dass ich jemanden gefunden habe. Das ist nett. Aber die Frage: «Ist er dein Traummann? The One …?» leider nicht. Klar, ich bin über dreissig. Da wohnen längst alle harmonisch Pasta kochend zusammen, werden langsam in den Heiratsstrudel gezogen und gerade bricht ein heftiger Baby-Sturm los. Dass ich für Letzteres nicht mehr alle Zeit der Welt habe, ist mir klar. Erzwingen kann ich aber auch nichts. Nach einem halben Jahr Beziehung weiss ich nur, dass die Richtung stimmt. Ich finde das mehr als gut. Den Anderen reicht das nicht.
Unter gut gemeintem Druck kann viel zerbrechen
Ob es denn der Mann meines Lebens sei, wird nachgehakt. Spüren würde man das sofort. Als ich Mitte Zwanzig war, hat mich diesbezüglich niemand so grossspurig belehrt. Plötzlich muss ich mehr ahnen, mehr wissen. Dabei geht es da um die grossen Entscheidungen im Leben, die sich noch viel schwieriger fällen oder fühlen lassen. Und dabei ist es vermutlich das Alter, das mir dabei mehr im Weg steht, als mich – von Torschlusspanik befallen – zu drängen: Ich weiss längst, was alles passieren, ja schieflaufen kann. Und ich weiss auch, wie albern vorschnelle Zukunftspläne im Nachhinein klingen. So stolpere ich zwar vielleicht noch immer durchs Leben, aber nicht mehr kopflos durch peinliche Männerreihen. Natürlich habe ich gelernt, was ich will. Aber vor allem, was ich nicht will.
Und das bedeutet für mich auch, mein Leben nicht aufzugeben. Die Aussicht auf Zusammenziehen hält Fernbeziehungen am Leben, heisst es. Nun ja. Ich bin glücklich hier. Er glücklich dort. Ich möchte behaupten, ich bin viel zu selbstbestimmt, als dass ich alles stehen und liege lasse für den vermeintlichen Traum einer Familie. Wenn er das nun genauso sieht, geht da natürlich rein gar nichts voran.
Entspannt euch bitte, damit ich mich entspannen kann
Für mich ok. Bis mir all diese übermotivierten Fragen an den Kopf geschleudert wurden. Was folgt, ist ein emotionaler Kater. Mit ziellosen Panikattacken, dass ja doch alles sinnlos ist, weil man zu wenig weiss. Wann der Kinderwunsch kommt. Ob man den anderen heiraten will. Man mag sich ja, aber das ist offensichtlich in meinem Alter nicht mehr alles. Auch nach einem halben Jahr nicht. Unbeschwert verliebt sein? Ist irgendwie schwierig.
Und dann kam doch wieder meine Mutter um die Ecke und sagte, dass es doch immer nur um den Moment gehe. Alles andere könne man eh nicht steuern. Das Babybild hat sie inzwischen entfernt. Oder heimlich woanders aufgestellt. Danke. Romance is sonst nämlich dead.