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Emrata und die #snapbackculture

Wann hören wir auf, After-Baby-Bodies zu bewerten?

Emily Ratajkowski hat vor ein paar Wochen ein Baby bekommen. Auf Instagram zeigt sie sich im Bikini und löst damit gleichermassen Bewunderung als auch Ernüchterung aus. Mit ihrem Video reiht sie sich in eine Riege prominenter Neu-Mamis ein, die mit ihren Bildern für hitzige Diskussionen sorgen. Es folgt: ein ehrlicher Kommentar aus der Sicht einer (nicht prominenten) Mutter.

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Emily Ratajkowski nach Geburt

Emily Ratajkowski fünf Wochen nach der Geburt ihres Sohnes: Im knappen Zweiteiler und mit knallhartem Waschbrettbauch.

Instagram.com/emrata

Die einen klatschen Beifall, die anderen vermuten hinter dem Video einen Filter und einen strategisch eingezogenen Bauch. Emily Ratajkowski brachte am 8. März 2021 ihr Baby zur Welt. Ein paar Wochen später zeigte sie sich im Zweiteiler.

Postpartum-Body

Jede werdende Mama beschäftigt sich irgendwann mit der Frage, wie der Körper auf die folgenden neun Monate reagieren wird. Bekomme ich Dehnungsstreifen? Brauche ich wirklich derart grosse Binden im Wochenbett? Wann passe ich in meine alte Jeans? Fragen, die konstant im Kopf herumschwirren. Und dabei ist das doch alles total egal.

Gene, Gene, Gene

Wenn ich an mir herunterschaue und die Gegend um meinen Bauch betrachte, sehe ich etwas überschüssige Haut und eine 20 cm lange Notkaiserschnittnarbe. Die Gegend rund um die Narbe macht immer noch ein Schläfchen. Richtig, auch das Taubheitsgefühl hält seit dreieinhalb Jahren an. Auch wenn ich meine Schwangerschaft längst nicht mehr für die Mini-Extrapfunde verantwortlich machen kann, weiss ich doch, wie sehr sich der Körper durch ein Kind verändert – aber auch wie schnell man dank guter Gene und dem Kraftakt des Stillens wieder in seiner alten Haut stecken kann. Trotzdem: Im ersten Moment fühle ich mich von Postpartum-Bodies wie dem von Model Emily Ratajkowski verunsichert.

Alles umsonst?

«So toll kann eine Frau nach der Geburt aussehen» lautete der Tenor, als Heidi Klum 2009 kurz nach der Geburt ihrer Tochter Lou für Victoria's Secret über den Laufsteg schwebte. Bilder wie diese lassen Erwartungen an werdende Mamis leider ins Utopische schiessen. Es fühlt sich im ersten Moment ein bisschen so an, als ob es die breite Diskussion über Geburten, Wochenflüsse oder Dammschnitte in der Vergangenheit nie gegeben hätte. Dabei wird das Thema rund ums Kinderkriegen doch gerade erst enttabuisiert. Das Teilen von Erfahrungsberichten im World Wide Web öffnet denen die Augen, die sich bis dato mit der Thematik noch nie auseinandergesetzt haben. Influencerin Leandra Medine erzählte zum Beispiel nach der Geburt ihrer Zwillinge auf ihrem Blog ganz unverblümt und bis ins kleinste Detail von der Farbe ihres Wochenflusses, Model Ashley Graham zeigte während ihrer Zwillingsschwangerschaft stolz den Bauch, der mit Dehnungsstreifen geschmückt war.

Kinderkriegen auf italienisch

Auch Italiens erfolgreichste Bloggerin Chiara Ferragni nahm uns auf ihre Postpartum-Reise mit. Das Social-Media-Wunder brachte Tochter Vittoria ebenfalls im Frühling 2021 auf die Welt. Kurz danach teilte sie neben alltäglichen Dingen auch ihre neue Sport-Routine. Chiaras Verlangen nach einem flacheren Bauch wurde heftig kritisiert – anders als Ratajkowski nahm die Frau von Rapper Fedez ihre Millionen Follower aber auf ihre Fitness-Reise mit und liess sie an Blood, Sweat und Tears teilnehmen (wenn natürlich auch ganz Instagram-like auf retuschierte Art und Weise). 

Vergleiche wären hirnrissig

Genau hier liegt vermutlich der Grund unserer eigenen Unsicherheit. An einem Tag schmückt Emily Ratajkowski noch die formschöne Babykugel, am anderen bestaunt man einen flachen Bauch, als wäre nie etwas gewesen. Wir können nur vermuten, dass das Model den Jackpot im Gen-Lotto gezogen hat. Vielleicht muss man sich als Ottonormal-Mami aber auch häufiger in den Kopf rufen, dass vermögende Stars diverse Personal-Trainer zur Seite stehen, sowie ein paar unterstützende Nannies und Haushaltshilfen. #snapbackculture sollte schnellstmöglich gecancelt werden.

Die Macht des Insta-Filters

Fakt ist aber auch, dass Emily Ratajkowski ihr eigenes Aushängeschild ist und ihr Instagram-Account ihr Kapital ist. Hier bewerben sie Beauty-Produkte, Sport- und Bademode – täglicher Alltags-Struggle mit Neugeborenem, Milchflecken und Maxi-Pads werden aus marketingtechnischen Gründen einfach ausgeblendet. Egal ob man nach zwei Monaten, nach zwei Jahren oder vielleicht auch nie wieder wie vorher aussieht, jeder Körper ist fantastisch und sollte als das gefeiert werden, was er ist: ein absolutes Wunder.

Von Carolina Lermann am 7. Januar 2022 - 08:45 Uhr