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Kniiirrrsch

Was wirklich gegen Kieferverspannungen hilft

Verspannungen, Kopfweh und Ohrenschmerzen – alles Symptome, die beim Zähneknirschen auftauchen können. Steht die Diagnose Bruxismus, gibts verschiedene Therapiemöglichkeiten: Eine Zahnschiene, Physiotherapie, Entspannungstechniken, und vielleicht hilft in Zukunft sogar … Botox.

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Zähne knirschen

Autsch: Knirscher*innen leiden am Morgen oft unter Verspannungen.

Getty Images/View Stock RF

Mitten im Schlaf, wenn wir uns eigentlich erholen sollten, leisten viele Schwerstarbeit. Genauer gesagt schuftet in der Nacht so mancher Kiefer. Es wird gepresst, gemahlen, geknirscht – und zwar unbewusst. Der medizinische Ausdruck dafür: Bruxismus. Dabei unterscheidet man, ob jemand die Zähne einfach aufeinanderpresst oder ob auch Bewegung im Spiel ist. Knirscher wissen meist um ihre nächtliche Aktivität, weil sie dabei ziemlich laut werden und sich um den Schlaf bringen können. Ausserdem fühlen sie sich oft verspannt im Nackenbereich, klagen über eine steife Gesichtsmuskulatur oder Kopfschmerzen.

Ohrenweh kann ein Symptom sein 

«Auch Ohrenweh kann ein Symptom sein», sagt Olivia Stanimirov Rossi, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten aus Zürich. «Oft werden Patienten zu mir geschickt, die über Schmerzen klagen, aber keine sichtliche Entzündung oder andere Erkrankung im Hörbereich aufweisen. In vielen Fällen ergeben meine Untersuchungen dann, dass ein Bruxismus vorliegt.» Ganz typisch sei, dass die Patienten über ein Gefühl von Wasser im Ohr berichten, dass aber keine Feuchtigkeit austrete. Manchmal reicht für die Diagnose das Abtasten der Kiefermuskulatur. Kein Wunder: Beim Pressen und Knirschen lasten teilweise bis zu mehrere hundert Kilo auf dem Gebiss. Die Folge: Die Muskeln wachsen und verhärten sich. In manchen Fällen hören Betroffene ein Pfeifen, auch das kann die Folge von Bruxismus sein. «Typisch bei solchen Fällen ist, dass die Töne lauter werden, wenn man den Kiefer nach vorne oder nach hinten schiebt», sagt Dr. Olivia Stanimirov Rossi.

Olivia Stanimirov Rossi, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten aus Zürich

Olivia Stanimirov Rossi, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten aus Zürich.

ZVG

Der starke Druck auf die Zahnsubstanz kann im schlimmsten Fall den Zahnschmelz schädigen und zu Veränderungen am Zahnhalteapparat führen. «Wer nicht sicher ist, ob er knirscht, dem verschreibe ich für fünf Tage ein Medikament zur Muskelentspannung. Am Morgen spürt man dann gleich, ob sich der Kiefer besser anfühlt», erklärt Olivia Stanimirov Rossi.

Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten

Steht die Diagnose, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Eine davon ist die Physiotherapie. Myma Ayachi, dipl. Physiotherapeutin FH aus Zürich, ist spezialisiert auf Probleme im Kopf-, Kiefer- und Gesichtsbereich. «Als Erstes müssen wir untersuchen, warum und in welchen Situationen ein Klient knirscht oder presst, was nicht immer offensichtlich ist», sagt sie. «Weshalb genau das Hirn via Nervensignalen die Kiefermuskeln unbewusst antreibt, ist noch nicht geklärt», sagt Dr. med. dent. Dominik Ettlin (siehe Interviewbox).

Oft steckt eine psychologische Komponente dahinter. In vielen Fällen ist es Stress. Dieser kann latent vorhanden sein oder nur situationsbedingt auftreten, beispielsweise immer beim Autofahren, vor dem Computer oder am frühen Morgen. «Kennen wir den Grund, können wir gezielt darauf eingehen», sagt Myma Ayachi.

Muskulatur lockern

Einerseits passiert das mit manuellen Behandlungenstechniken, Gelenksmobilisationen, Weichteilbehandlungen betroffener Strukturen, Muskeln oder Faszien. Beim Dry Needling werden zum Beispiel Triggerpunkte mit Akkupunkturnadeln bearbeitet und so die Muskeln gelockert. Anderseits versucht man in der Therapie, Stresssituationen besser zu erkennen und mit Übungen vorzubeugen. «Das kann zum Beispiel ein roter Punkt sein, den man sich als Erinnerung zur Entspannung an den Computer klebt», sagt Myma Ayachi. Gerade wer den ganzen Tag vor dem Bildschirm hockt, reckt den Nacken häufig nach vorne, was auch die Kieferbisslage negativ beeinflussen kann. «Wenn die Klienten bewusster durch den Alltag gehen, merken viele, dass sie nicht nur in der Nacht, sondern auch am Tag die Zähne aufeinanderpressen.»

Achtsamkeit hilft

Die Erfolgsquote liegt bei den Menschen, die pressen, etwas höher als bei solchen, die in der Nacht knirschen. «Weil es sich dabei um einen sehr schwer kontrollierbaren Automatismus handelt», erklärt die Physiotherapeutin. Was immer hilft, sind Entspannungstechniken. Nur schon die Frage «Auf welcher Seite esse ich normalerweise?» lenkt die Achtsamkeit auf unsere Kaumuskulatur. «Wir sollten uns öfters fragen, was unser Gesicht eigentlich so den ganzen Tag macht», sagt Myma Ayachi.

Das sagt der Zahnarzt: «Botox könnte gegen Bruxismus helfen.»

Dr. Dominik Ettlin, wem kann eine Knirschschiene helfen?
Da die Aufbissschiene nachts getragen wird, ist die Symptomlinderung am wahrscheinlichsten, wenn die Beschwerden nachts oder beim Erwachen am Morgen stören, etwa bei morgendlicher Migräne. Personen mit Kaumuskelverspannungen tagsüber profitieren am meisten von Selbsthilfetechniken zur Körperwahrnehmung und Entspannung. Die Schiene wirkt zudem der Abnutzung der Zähne im Fall von starkem nächtlichem Zähneknirschen entgegen.

Warum wirkt die Schiene?
Eine Aufbissschiene verändert die auf den Kauapparat wirkenden Kraftvektoren bei Belastungen. So werden die Kräfte im Gelenk umverteilt, wodurch überbelastete Gelenkanteile geschont werden.

Welche Schiene empfehlen Sie?
Die aktuellen Empfehlungen der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften beschränken sich auf Schienenformen, die alle Zähne decken.

Hilft Botox gegen Knirschen?
Botulinumtoxin hemmt die Überleitung von Nervensignalen auf die Muskulatur, wodurch diese geschwächt werden. Entsprechend ist dieses Medikament kurzzeitig gegen Bruxismus hilfreich. Wie lange dieser Effekt anhält, wird von uns demnächst in einer klinischen Studie untersucht. Das Gesuch zur Durchführung der Studie wird derzeit von der Ethikkommission des Kantons Zürich geprüft.

Dr. med. dent. Dominik Ettlin

Dr. med. dent. Dominik Ettlin Leitender Arzt am Zentrum für Zahnmedizin der Uni Zürich.

ZVG

Na, knirscht ihr nachts auch mit den Zähnen? Oder habt einige Symptome erkannt? Lasst es uns wissen.

Von lm am 5. Oktober 2020 - 16:09 Uhr