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  4. Geschichtlicher Überblick: Wenn Männer über Frauenmode nörgeln

Kurze Geschichtsstunde

Diese Modetrends hassten Männer im Lauf der Zeit

Mode für Frauen war lange reine Männersache. Endlich ist das vorbei. Jeder darf mitmachen. Die Grenzen zwischen «männlich» und «weiblich» verschwimmen. Schöne neue Welt. Das war aber nicht immer so. Hier die wichtigsten geschichtlichen Eckpunkte von nörgelnden Männern über Modetrends bei Frauen.

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Modetrends

Was Männer wollen? Wir hören leider nur: Mimimi.

Getty Images

«Die heutige Frau liebt Luxus mehr als Liebe». Das sagte der Poet F. T. Marinetti 1913. Ein Mann. So falsch das Zitat auch ist, so ganz falsch ist es eben doch nicht. Beispiel: Mir ist es ganz egal, ob mein Freund (die Liebe) meine Lederoptik-Jacke (mein Luxus) als «speziell» bezeichnet. Wenn der Freund einer Freundin die Arizona-Love-Sandalen (Trecking-Sandalen mit Bändern verziert) geschmacklich grenzwertig findet, lacht die Freundin nur. Und wir noch einmal zusammen, wenn sie es mir erzählt. Denn wir haben es schon oft genug zu hören bekommen. Die Geschichte ist voll von nörgelnden Männern.

Früher war das alles sowieso sehr männerlastig. Männer designten für Frauen. Heute ist das alles diverser. Heute ist die Mode selbsterzogener. Nicht dazu da, zu zeigen, wie viel Geld der Ehemann hat. Wir gestalten unsere Garderobe und somit das Bild, das wir abgeben, selbst. Wir tragen jetzt Trends, egal, ob der Freund oder irgendein Mann sie mag oder nicht. Donatella Versace zum Beispiel gelang es nach dem Tod ihres Bruders 1997 die Gitzer-Sex-Mode, die typisch war für Versace, zu modernisieren, indem sie das Aggressive aus den Schnitten nahm. Und was fällt den Männern zu Donatella Versace ein? Sie wählten die Frau, die solche Roben erschaffen kann, in der Männerzeitung FHM zur «Unsexiest Woman in the World».

NEW YORK - MARCH 1996:  Fashion designers Gianni Versace (1946 -1997) and Donatella Versace on the runway after a Versace fashion show in March 1996 in New York City, New York. (Photo by Catherine McGann/Getty Images)

Donatella und Gianni Versace nach ihrer Modeschau im Jahr 1996 (ein Jahr bevor ihr Bruder ermordet wurde und sie das kreative Zepter übernahm).

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Wir erinnern uns in puncto ikonische Versace-Designs noch kurz an das Jungle-Dress, das Jennifer Lopez im Jahr 2000 bei den Grammy Awards trug (und sie zum Superstar machte). Sexy und sehr entspannt zugleich. Das hängt heute im Museum und wurde 2019 neu aufgelegt. Und wieder von J.Lo präsentiert.

MILAN, ITALY - SEPTEMBER 20: Jennifer Lopez walks the runway at the Versace show during the Milan Fashion Week Spring/Summer 2020 on September 20, 2019 in Milan, Italy. (Photo by Vittorio Zunino Celotto/Getty Images)

Jennifer Lopez im ikonischen grünen Dschungel-Kleid 2.0 von Donatella Versace.

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Die Geschichte von Männern, die wütend auf mit der Mode gehende Frauen waren, zieht sich bis ins Mittelalter. Damals empfand man Trends und Spielereien wie Make-up, Perücken, Pelze als genauso sündenvoll wie den weiblichen Stolz, die weibliche Leidenschaft. George V war nicht nur König von Grossbritannien, sondern auch der Nörgler. Er mochte keine lackierten Fingernägel, keine «frivolen» Hüte. Frauen, die in der Öffentlichkeit rauchten, gingen auch nicht. Jazz fand er blöd. Und dieses wachsende Bedürfnis, am Wochenende auszugehen, fand er auch dumm (auf all diese Verbote noch ein bisschen Make-up drauf und wir haben eine richtig gute Party). 

Hüte als Pendant zur Stadt Sodom

Im 17. Jahrhundert konnte Theologe John Wesley Sermon dann bei Kleidern aus Spitze nicht hinsehen. Spitze und auffällige Hüte seien anstössig und würden den Mann willenlos vor Lust werden lassen. Ersetzen wir «Spitze» und «auffällige Hüte» durch «kurze Röcke und tiefe Ausschnitte» und wir haben einen Vorwurf, den man Frauen heute noch macht. Frauen sind irgendwie auch für die Taten von Männern zur Verantwortung zu ziehen – ihre Kleidung: eine Einladung. 

Klar, auch Frauen ärgern sich über Klamotten. Aber weiblich zu sein und einen Fashion Sense zu haben, bringt eine andere Form von Ärger mit sich. Wir erinnern uns an die Kommentare über Hillary Clinton’s Anzüge (darüber, warum sie die trug, gab sie regelmässig Interviews). Oder den Lärm um die Schuhwahl der ehemaligen britischen Premier, Theresa May (verrückte bunte Dinger mit Mustern drauf). Weibliche Politikerinnen können einfach nicht gewinnen. Ihr Äusseres wird von der Öffentlichkeit seziert.
Es ist ein Dilemma. Unsere Kultur gibt uns vor, dass wir auf ein gepflegtes Äusseres achten sollen. Einen Look zu haben ist wichtig. Aber legen wir zu viel Aufmerksamkeit darauf – ist man schnell oberflächlich. Das Innere zählt nämlich und aufs Äussere zu achten ist trivial.

Genörgel bringt niemandem was

Das ganze Genörgel ist in ein paar Fällen vor allem eben nicht nur Kritik an dem Objekt, dem Getragenen, sondern dem Subjekt. An der, die es trägt. Aber nicht nur reicht die Nörgelei ins tiefe Mittelalter zurück, sie hat seither auch einfach mal nichts bewirkt. Wir empfehlen folgende Artikel zum Thema: Aktuelle Trends, die Männer hassen (Spoiler: Sie tragen es trotzdem). Und vor denen, die sich eben trauen, die sich trauen Platz einzunehmen, vor denen ziehen wir unseren auffälligen, frivolen Hut.

Von zin am 24. September 2020 - 18:09 Uhr