STYLE: Warum haben Sie dimpora gegründet?
Mario Stucki: Es fing mit der Themensuche für meine Masterarbeit an: Technik und Einsatz von porösen Membranen. Zeitgleich machte Greenpeace auf das Problem von fluorierter Chemie in Kleidung aufmerksam. Das weckte mein Interesse, nachhaltige Membranen für Kleidung zu entwickeln. Ich wusste, das Problem der Nachhaltigkeit in der Outdoor-Bekleidungs-Branche kann man lösen. Durch meine Ausbildung zum Chemie-Ingenieur hatte ich dann auch die Möglichkeit dazu.
Weshalb liegt Ihnen das Thema Nachhaltigkeit am Herzen?
Anna Beltzung: Ich wuchs in der Schweiz auf, war schon als Kind gerne in den Bergen. Verglichen mit früher hat es heute deutlich weniger Schnee. Mir wurde bewusst, dass sich etwas ändern muss.
Mario Stucki: Einer der grössten Indikatoren für mich waren die Libellen hinter dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Früher tummelten sich dort viele von ihnen – heute hat man Glück, wenn man überhaupt noch eine sieht. Daran sind hauptsächlich die Chemierückstände schuld, die leider überall in der Natur zu finden sind. Da wir dank unseres Wissens etwas be wirken können, wollen wir eine Lösung finden, fluorierte Chemie zu ersetzen. Meine Einstellung dazu: Man kann sich beklagen, wenn man etwas nicht gut findet, oder man kann aktiv etwas am Problem ändern. Wir haben uns für die zweite Option entschieden.
Wie definieren Sie Nachhaltigkeit?
Anna Beltzung: Es geht immer noch besser und nachhaltiger. Da muss jede und jeder für sich selbst eine Strategie entwickeln. Nach diesem Prinzip arbeiten wir auch. Es gibt konstant neue Ansätze und neue Technologien in der Wissenschaft. Deshalb wollen wir innovativ und auf dem neusten Stand sein. Nachhaltigkeit ist für mich ein Prozess.
Mario Stucki: Genau. Man soll sich nicht nur auf ein Problem konzentrieren, da alles zusammenhängt.
Sie haben eine nachhaltige Lösung gefunden, um Outdoor-Bekleidung wasserdicht und atmungsaktiv zu machen. Gibt es noch weitere Ansätze, um die Branche umweltfreundlicher zu machen?
Mario Stucki: Wir müssen das Know-how und die Herstellung vom Ausland wieder zurück in die Schweiz und Europa holen, das reduziert Transport wege und Emissionen. Und beim Recycling braucht es mehr Kontrolle. Man soll nicht einfach «Nachhaltig produziert» oder «Recycelt» auf ein Kleidungsstück schreiben dürfen, wenn dies nicht von unabhängigen Dritten bestätigt wird.
Wo gibt es am meisten Verbesserungspotenzial bei Outdoor-Bekleidung?
Mario Stucki: In der Kreislauffähigkeit. Outdoor-Bekleidung ist sehr komplex von den Materialien her, verglichen mit alltäglichen Kleidungsstücken. Sie besteht aus einer Vielzahl vonMaterialien – das macht das Recycling schwierig. Kleidung sollte so hergestellt werden, dass sie am Ende wieder in den Kreislauf integriert werden kann, dass aus Alt Neu wird.
Anna Beltzung: Was auch nicht vergessen werden darf, ist, dass die Produkte schlussendlich bei den Konsumentinnen und Konsumenten sind. Und wenn die nicht wissen, was sie am Ende mit ihnen anstellen sollen, bringen all unsere Bemühungen nichts. Es braucht also auch ein besseres Zusammenspiel zwischen Herstellern und Konsumenten.
Sie haben Membranen entwickelt, die für verschiedenste Witterungen geeignet sind. Worauf haben Sie dabei geachtet?
Mario Stucki: Wir brauchen für die verschiedenen Aktivitäten unterschiedliche Materialeigenschaften. Nicht für jede Aktivität muss die Ausrüstung gleich atmungsaktiv und wasserdicht sein. Beim Skifahren beispielsweise habe ich andere Erwartungen an meine Jacke als beim Trailrunning. Deshalb steht Funktionalität bei uns an oberster Stelle.
Was passiert, wenn sich an der Kleiderproduktion in der Outdoor-Branche in nächster Zeit nichts ändert?
Anna Beltzung: Am Ende des Tages muss sich die Outdoor-Industrie bewusst sein, dass ihre Kleidung in der Natur getragen wird. Dort wird die giftige Chemie verbreitet. Das ist nicht viel pro Person, aber mit der Masse summiert es sich.
Worauf sollen Konsumenten und Konsumentinnen beim Kauf achten?
Anna Beltzung: Kleinigkeiten können schon viel bewirken. Zum Beispiel, indem man schaut, woraus die Kleidung besteht. Am besten kein Mix aus mehreren Materialien – je weniger, desto besser. Secondhand einzukaufen ist auch immer eine gute Idee.
Mario Stucki: Wenn man die Mittel hat, ist es richtig klug, für gewisse Dinge mehr Geld zu budgetieren. So informiert man sich oft besser über das Produkt und macht sich auch mehr Gedanken darüber, ob die Anschaffung wirklich nötig ist. Auch wird so mehr Aufwand betrieben, um das Kleidungsstück oder den Schuh zu reparieren.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Mario Stucki: Der erste Schritt muss ein Verbot von fluorierter Chemie sein. Die EU ist da zum Glück dran. Es ist bekannt, wie schädlich die Stoffe für die Umwelt sind, also muss sich da dringend etwas ändern. Da sind wir zurzeit aber auf einem guten Weg.
Anna Beltzung: Um wirklich richtig Einfluss zu gewinnen, müssen wir als nächsten Schritt mit den grossen Brands zusammenarbeiten. Wir durften schon einiges machen, aber eine grosse Kollektion fehlt uns noch.
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