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  4. Instagram hat eine neue Pose: So wirkt der Po perfekt

Nicht Mund, sondern Po halten

Eine Insta-Pose, so betörend wie verstörend

Die sozialen Medien sind ja ein Karussell der Kuriositäten. Wer sich da nicht wie ein gut geölter und straff gespannter Bogen auf Zehenspitzen inszeniert, den schleuderts raus. Es gibt Posing-Regeln, so golden wie der Glow. Nun ziehen sich Sirenen wie Emily Ratajkowski und Bella Hadid auf Bikini-Bildern den Po hoch. Und die Schenkel auseinander. Es folgt ein Versuch, das zu verstehen.

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Instagram/emrata

Emily Ratajkowski hat ihr Leben im Griff. Und das besteht aus viel Booty.

Instagram/inamoratawoman

Kopfschmerzen kann es einem bereiten, wenn man so durch Instagram scrollt. Da sind immer alle in den Ferien. Oder glücklicher als man selbst. Und verliebter. Und schöner. Oder haben die coolere Wohnung. Legt man da leidend die Hand an die Schläfe, performt man die «Headache Pose». Ein Zeichen der nonchalanten Genervtheit, die aber ganz zufällig auch das Auge samt Braue in eine sexy Steillage bringt, die sich so manche*r mit Hyaluron hinspritzt. Und weil Beine in den sozialen Medien im Optimalfall auch immer länger als die Liste der Follower sein sollten, steckt man die Füsse in imaginäre High Heels. «Barbie Feet» nennt sich das, weil man sie wie jenes Püppchen spitzt und so die untere Körperhälfte optisch streckt.

Man las in den letzten Jahren auch von «Flamingo Pose», «Bambi Pose», «T-Rex-Hands» oder «Fish Gape». Bei letzteren kann ich nicht mehr folgen. Und ich bin (leider) viel auf Instagram unterwegs. Was mir auch neu ist, ist die Tatsache, dass man sich jetzt den Arsch hält, sobald man einen Bikini trägt. Und jemand ein Foto macht. Oder machen soll. Klingt komisch, ist aber so. Einen Namen für dieses Phänomen habe ich nicht gefunden.

Bestandsaufnahme von Gewebe

So stehen vermeintliche Über-Menschen mit surreal bestückten Körpern meist vor türkisem Meer, eben diesem zugewandt. Den Po umspannt ein knappes Höschen, das Obenrum ist optional. Die Finger aber klemmen stets in der kleinen Falte, die da entsteht, wo der Oberschenkel ins gut trainierte Gesäss übergeht. Am Glutaeus minimus quasi. Und da ist Zug drauf. Der Blick ist über die Schulter gerichtet. Dem Betrachter direkt entgegen. Fordernd. Mir persönlich wärs ja peinlich, ich müsste lachen. Aber Schauspielerin Emily Ratajkowski und Topmodel Bella Hadid meinen das bierernst.

Instagram/bellahadid

Topmodel Bella Hadid in den Ferien.

instagram/bellahadid

Aber was soll das?

Wurde der zufällige Moment eingefangen, in dem geprüft wird, ob noch alles da ist? Immerhin verdienen diese Frauen ihr Geld vornehmlich mit ihrem Körper. Da wäre der Verlust von gut gewölbtem Fettgewebe tragisch. Handelt es sich um ein subtiles Fokussetzen, das cooler ist als triviales Draufzeigen? Soll so die Thigh Gap grösser gezogen werden? Von denjenigen, die zu den Wenigen gehören, die eine haben? Oder soll der Po angehoben werden? Mal wieder grösser oder anders wirken? Wie es eben so ist bei diesen Instagram-Phänomenen, die ich eingangs besang.

Ich habe gegoogelt. Zumindest ein bisschen. Und nichts gefunden. Unter Hashtags wie #bootygrab findet man zwar rund 11.400 Beiträge, aber die Hände die sich da in knackige Hintern wühlen, sind fast immer männlich. Danke für nichts. Diese Pose zumindest soll (sehr vermutlich) keinesfalls als obszön oder gar als Aufforderung an andere verstanden werden, beherzt zuzugreifen.

Den Versuch der Selbstoptimierung kann man nicht ausschliessen, wobei es natürlich grotesk ist, dass die, die als die schönsten Frauen der Welt gelten, nochmal so plump nachhelfen müssen. Was hier in erster Linie optimiert werden soll, ist die Selbstwahrnehmung – mit einer Geste des Stolzes. Stolz darauf, dass Gott (oder der Personal-Trainer oder ein Arzt) diesen Körper geschaffen hat. Und da können wir ansetzen und ernsthaft überlegen, das auch mal zu probieren. Ohne zu lachen. Weil es da um etwas geht.

instagram/ninauc

Nina Urgell Cloquell und der Zeitgeist: Die Spanierin hat nicht nur eine Naturkosmetikmarke gegründet, sondern posiert auch so, wie es sich gerade schickt.

instagram/ninauc

Arsch und Leben gleichermassen im Griff

Schliesslich kämpft Emily Ratajkowski schon seit Jahren gegen die Sexualisierung des weiblichen Körpers. Und zwar mit Bildern, die durchaus provozieren. Die Brüste sind gross und weich, der Po knackig wie ein Apfel, der Bauch dagegen steinhart, die Hüften gebärfreudig, aber nicht ausladend. Die Amerikanerin will ihre Weiblichkeit zelebrieren dürfen, ohne damit Signale zu senden. Genau darum tut sie es. Weil die Gesellschaft einen nackten Torso nicht erträgt und deren Trägerinnen sofort in eine Schublade presst. Mit solchen Vorurteilen will sie aufräumen. Ein Körper ist ein Körper ist ein Körper, egal wie sinnlich er ist. Leute sehen darin nicht mehr Schönheit und Femininität, sondern Vulgarität und Pornografie. Sie zwickt sich also keck in den Po. Und dennoch wagt sie es, sich selbst als Feministin zu bezeichnen.

Die Frauen, die sich hier so trocken ihren Hintern halten und in Form ziehen, machen auch den Mund auf. Setzen sich ein. Und wenn der Allerwerteste eben genau das ist – das Allerwerteste nämlich, ist doch dagegen nichts einzuwenden. Die Wertschätzung der eigenen Farben und Formen ist in dieser so oberflächlichen Welt so viel Wert wie Bella Hadids Gesicht. Wenn das auf Instagram mit einer weiteren dämlichen Pose klargemacht werden muss: von mir aus. Ich würde mir diverse(re) Beispiele wünschen. Aber hey, bis dahin macht es wie Emily Ratajkowski: «Grab your butt and go»

Natürlich...

darf man das auch alles richtig doof finden. Wie immer hält Comedian Celeste Barber der Insta-Welt den Spiegel vor. Voilà!

Von Linda Leitner am 15. September 2021 - 16:03 Uhr