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Meditation für alle

«Jede kann immer und jederzeit lernen zu meditieren»

Von wegen nur Esoterik und Räucherstäbchen: Coach Kai Meinig weiss, warum Meditation für alle etwas ist und warum auch Skeptiker*innen offen für die Entspannungsmethode sein sollten.

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Meditation hilft dabei, Stress zu reduzieren und unser Wohlbefinden zu verbessern.

IMAGO/Addictive Stock

Dem Alltag entkommen, einmal in sich gehen und zur Ruhe kommen? Meditation wird von einigen Menschen kritisch beäugt. Denn «viele denken dabei an Esoterik, Räucherstäbchen und Schneidersitz oder setzen sich unter Druck, weil sie denken, dass sie ganz frei von Gedanken sein müssten», erklärt Kai Meinig, zertifizierter Meditationslehrer, Coach und die deutsche Stimme der Meditationsapp Headspace. Der Experte verrät, warum Skeptiker*innen dennoch offen für Meditation sein sollten, welche Anwendungsmöglichkeiten bestehen und was die positiven Effekte sind.

Was ist eigentlich Meditation?
Kai Meinig: Meditation ist eine Fähigkeit, die uns dabei hilft, die eigene Wahrnehmung zu verbessern und bewusst neue Perspektiven einzunehmen. Diese Fähigkeit müssen wir erlernen und regelmässig trainieren. Je konsequenter das Training, desto mehr profitieren wir von den Vorteilen wie innere Ruhe, Klarheit, Zufriedenheit und Mitgefühl. Eine einfache Meditationstechnik ist das Fokussieren der Aufmerksamkeit. Hierbei lenken wir die Aufmerksamkeit bewusst auf die Atmung, um sie zu beobachten, ohne sie verändern zu müssen. Diese Technik kann immer und überall im Alltag angewandt werden und wirkt meistens direkt entspannend.

Was passiert dabei mit unserem Inneren?
Meditation holt uns zurück in den Moment, in das Hier und Jetzt. Somit lässt sich Meditation auch als bewusste Entscheidung ansehen, die Aufmerksamkeit weg von stressigen Gedanken, Sorgen oder Bewertungen, hin zum gegenwärtigen Moment zu lenken. Sie verschafft uns eine Art Pause und ermöglicht es, Gedanken, die beispielsweise Stress verursachen, zu hinterfragen oder loszulassen.

Würden Sie sagen, dass jeder Mensch meditieren kann und daraus auch etwas Positives mitnimmt?
Ich denke, dass der Begriff Meditation bei einigen Menschen Gegenreaktionen auslöst, weil sie mit zahlreichen Klischees behaftet ist. Viele denken dabei an Esoterik, Räucherstäbchen und Schneidersitz oder setzen sich unter Druck, weil sie denken, dass sie ganz frei von Gedanken sein müssten. Es ist jedoch wissenschaftlich belegt, dass eine regelmässige Meditationspraxis von nur wenigen Minuten am Tag positive Effekte auf die körperliche und seelische Gesundheit haben kann. Headspace hat in einer Studie herausgefunden, dass schon wenige Minuten Meditieren täglich nach nur zehn Tagen Stress um elf Prozent reduzieren können.

Eine weitere Studie hat gezeigt, dass Reizbarkeit, ein häufiges Symptom von zu viel Stress, sich nach nur zehn Tagen regelmässiger Meditation um 27 Prozent reduzieren lässt. Eine regelmässige Meditationspraxis von nur zehn Minuten pro Tag reicht sogar aus, um unser Wohlbefinden erheblich zu verbessern. Warum ich auch denke, dass jeder Mensch meditieren kann: Um mit Meditation zu starten, braucht es keine Grundvoraussetzungen, jeder kann immer und jederzeit loslegen, ohne den Lotussitz zu beherrschen oder als Mönch ins Kloster gehen zu müssen. 

Warum ist Meditation bei Hitze so hilfreich?
Meditation hilft uns dabei, im Moment anzukommen und achtsamer zu sein. Bei Hitze ist es beispielsweise wichtig zu verstehen, wie der eigene Körper gerade reagiert und was eine wohltuende Massnahme wäre. Erst wenn wir wissen, wie es uns geht, können wir wahrnehmen, was wir brauchen. Mit fortschreitender Meditationspraxis ist es uns möglich, genauer in uns hineinzuhören und Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung kann dabei ganz unterschiedlichen aussehen und gilt natürlich auch für andere Beispiele als Hitze.

Was der Hitze ebenfalls entgegen kommt und wobei Meditation unterstützt, ist Entspannung. Hier reichen bereits wenige Minuten aus, um den Körper etwas zu regulieren. Bei anhaltender Hitze sind kleinere Meditationen über den Tag verteilt zu empfehlen. 

Welche Tipps haben Sie für Anfänger oder Skeptikerinnen?
Den meisten Menschen fällt es leichter, sich für eine feste Uhrzeit und Ort zum Meditieren zu entscheiden. So lässt sich schnell eine Routine etablieren, auch wenn der Aufbau einer festen Routine nicht verpflichtend oder «besser» ist. Jede*r sollte individuell schauen, was am besten passt. Zum Meditieren selbst ist ein ruhiger Ort zu empfehlen, sodass man sich für die Zeit der Meditation ungestört fühlt. Ein bequemer Stuhl, ein Meditationskissen, eine Liege, auch hier kann man variieren und sich ausprobieren.

Die Haltung der Meditation sollte in jedem Fall bequem und angenehm sein. Skeptiker*innen empfehle ich, geführte Meditationen auszuprobieren und für ein paar Tage dabei zu bleiben. Niemand sollte erwarten, dass Meditation sofort «wirkt» oder eine Art Allheilmittel ist. Meditation ist vielmehr eine Entscheidung die eigene Achtsamkeit zu verbessern.

Dennoch kann Meditation auch bereits zum Anfang sehr schnell, sehr wohltuend wirken. Sowohl Anfängerinnen als auch Skeptiker vereinfachen sich den Zugang zur Meditation, wenn sie mit einer neugierigen Haltung in die Meditationspraxis starten und sich von zu vielen Erwartungen lösen. Eine gute Meditationstechnik, um schnell bei sich anzukommen, und die sich auch super für Neulinge eignet, ist der Body Scan. Dabei spüren wir in unseren ganzen Körper hinein – vom Kopf bis zu den Füssen – und nehmen einfach nur wahr.

Verspannungen, Schmerzen, ein leichtes Ziehen oder andere Körperempfindungen? Es lohnt sich, das zu beobachten. Indem wir unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper richten und wahrnehmen, wie wir uns in diesem Moment fühlen, werden wir ausgeglichener. Die Augen schliessen und ganz bewusst tief atmen – durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Einfach mal Zeit nehmen für diesen Moment der Entspannung, sich neu ausrichten und dabei wieder mehr spüren, den ganzen Körper wieder mehr wahrnehmen.

Mal abgesehen von dem psychischen Effekt: Wirkt sich Meditation auch positiv auf unseren Körper aus?
Einer der grössten Vorteile der Meditation besteht darin, dass sie nicht nur unsere Denkweise und unsere Perspektive verändern kann, sondern auch unser Gehirn physisch verändert und es auf positivere Gedanken und Gefühle ausrichtet. Meditation kann negative neurologische Verbindungen zum medialen präfrontalen Kortex – dem «Ich-Zentrum» des Gehirns – abbauen und so Eigenschaften wie Angst, Stress und Unruhe dämpfen. 

Gleichzeitig werden auch neue positive neurologische Verbindungen zu den Teilen des Gehirns aufgebaut, die für die Förderung von Eigenschaften wie Konzentration und Entscheidungsfindung verantwortlich sind. Darüber hinaus hat die Forschung gezeigt, dass sowohl die graue Substanz – der Bereich des Gehirns, der für emotionale Regulierung, Planung und Problemlösung zuständig ist – als auch die Dicke der Hirnrinde, die für Lernen und Gedächtnis verantwortlich ist, bei regelmässiger Meditationspraxis zunehmen.  

Von spot am 18. August 2022 - 15:17 Uhr