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Kann eine Person reichen?

Warum man trotz glücklicher Beziehung fremdgeht

Wahre Liebe heisst ewige Treue? Leider falsch. Seitensprünge gibt es nicht selten auch in glücklichen Beziehungen. Warum Sex und Gefühle nicht immer zusammenhängen und wie wir Grenzen setzen, weiss die Sexologin Dania Schiftan.

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Bad kiss

Wo fängt Fremdgehen an? «Für manche zählt schon ein Flirt, für andere erst Sex», sagt Schiftan.

Getty Images/Vetta

Bei uns kommt das nicht vor. Wir lieben uns, haben guten Sex und führen eine glückliche Beziehung. Wir würden uns doch nie betrügen. «Das ist leider ein Mythos. Laut Zahlen ist mehr als jede vierte Person schon fremdgegangen. Und es kann nicht sein, dass all diese Beziehungen unglücklich waren», sagt die Psychotherapeutin und klinische Sexologin Dania Schiftan. 

Schauen wir uns die Zahlen mal genauer an. Eine Studie der Forschungsstelle Sotomo – die im Auftrag der Love Life-Kampagne 30000 Schweizerinnen und Schweizer befragt hat – zeigte, dass 27% der Befragten ihren Partner oder ihre Partnerin schon mindestens einmal betrogen haben. Die Frauen gingen dabei etwas weniger häufig fremd: Bei ihnen waren es 24%, bei den Männern 31%.

Es liegt nicht an dir

Die treuen Seelen unter uns werden sich jetzt fragen: Kann man jemanden lieben und ihn trotzdem betrügen? Das geht, sagt die Sexualtherapeutin: «Für viele Menschen ist Treue ein Symbol für wahre Liebe. Andere hingegen können Sex und Gefühle sehr wohl trennen. Sie gehen nicht fremd, weil sie in der Beziehung unzufrieden sind, sondern weil sie noch was anderes erleben wollen. Etwas, das ihnen der Partner oder die Partnerin nicht geben kann», so Schiftan. 

So will man sich vielleicht in einer langjährigen Partnerschaft einfach wieder mal begehrt fühlen und das eigene Selbstwertgefühl steigern. Andere suchen nach sexueller Abwechslung und werden erregt durch den Reiz des Neuen. Wieder andere haben eine bestimmte Vorliebe, die sie mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin nicht ausleben können oder wollen.

Betrügen als Chance?

Entdecken wir bei uns selbst dieses Verlangen, so haben wir schnell ein schlechtes Gewissen. Dabei ist das Bedürfnis an sich ganz normal: «Kein Partner kann über Jahrzehnte hinweg alles erfüllen, was wir brauchen.» Das Problem sei vielmehr unsere romantische Vorstellung vom perfekten Ehemann, der auch noch unser bester Freund, ein liebevoller Vater, Gutverdiener und ein leidenschaftlicher Lover ist. «Das ist eine reine Illusion. Niemand ist perfekt und kann all das erfüllen», sagt Schiftan.

Aber ist das ein Freipass zum Fremdgehen? Natürlich nicht. Geht es jedoch nach der belgischen Psychotherapeutin und Bestseller-Autorin Esther Perel, so kann auch ein Fehltritt seine guten Seiten haben. Der muss nämlich nicht das Ende einer Beziehung bedeuten, sondern kann eine Chance sein. Meist werden die Bedürfnisse erst dann offen und ehrlich angesprochen. Schafft es ein Paar, die Probleme anzugehen und gemeinsam einen Weg zu finden, so kann das laut der Belgierin die Beziehung sogar stärken. 

Besser früh als spät

Schiftan rät aber zur Vorsicht: «Zu einer Beziehung gehören immer zwei Menschen. Beim Betrügen entscheidet einer alleine über den Kopf des anderen hinweg und belügt ihn auch noch.» Das könne langfristig Wunden hinterlassen, so Schiftan weiter. Sie erlebe in der Therapie viele Paare, die sich den Fehltritt immer wieder vorwerfen und daran zerbrechen.

Ihr Rat: Sich lieber frühzeitig über Grenzen zu unterhalten – nicht erst, wenn es zu spät ist. Wo beginnt überhaupt Fremdgehen? Schon das ist sehr individuell: «Für manche zählt schon ein Flirt, für andere erst Sex. Ich habe aber auch Paare erlebt, die sagen, ab und zu Fremdgehen ist in Ordnung, solange man es sich beichtet.» Die Grenzen muss jedes Paar für sich setzen. Wichtig sei nur, dass man sie gemeinsam festlegt: «Eine glückliche Beziehung hat viel mit Respekt zu tun. Wenn man jemanden liebt, dann respektiert man seine Grenzen und bemüht sich, diese nicht zu verletzen», so Schiftan.  


 

Von Style am 19. Januar 2024 - 12:00 Uhr