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  4. Pride Month: Ich bin pansexuell, auch wenn ich einen Freund habe

Nur so als Info:

Meine Beziehung definiert meine Sexualität nicht

Unsere Autorin ist pansexuell. Das weiss sie schon ziemlich lange. Nur der Rest der Welt, der will das nicht so recht akzeptieren und dreht ihre Sexualität so, wie es ihm persönlich gerade besser passt. Das ist nicht nur ziemlich uncool, sondern auch echt verletzend.

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Vertical view of gay pride colors reflected on a hand isolated on white background. Sexual orientation concept. Unrecognizable woman with open hand as a symbol of homosexual community.

Breaking News: Unsere Sexualität hängt nicht davon ab, mit wem wir aktuell liiert sind. 

Getty Images/EyeEm

Ich habe lange nach einem eleganten Einstieg gesucht. Damit ich aber nicht erst meine ganze Lebensgeschichte aufschreiben muss, mache ich es kurz: Ich bin pansexuell. Ich kläre gern auf, was das bedeutet, denn ich wusste es selbst lange nicht. Bis vor ein paar Jahren dachte ich, ich wäre bisexuell. Erst, als ich durch Zufall auf den Wikipedia-Artikel über Pansexualität stiess, merkte ich, dass diese Definition mich ziemlich gut beschreibt. Ich fühle mich nicht zu einem bestimmten Geschlecht hingezogen, sondern zu Charakterzügen, optischen Merkmalen, Verhaltensweisen – unabhängig davon, ob dazu nun ein Penis oder eine Vagina gehört. Prinzipiell könnte das auch jemand sein, der genderfluid ist, eine transsexuelle Person, oder jemand, der sich keinem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlt. Auch, wenn mir das in der Realität noch nie passiert ist: Das ändert nichts. Sollte man zumindest meinen. Die Gesellschaft sieht das nämlich etwas anders.

Hetero by accident

Seit meinem elften Lebensjahr weiss ich, dass ich Frauen genauso interessant finde wie Männer. Vielleicht sogar schon länger. Kennt ihr noch Trixi, die kleine Mechaniker-Maus aus «Chip und Chap»? Die war mein erster Crush. Dann kam Captain Tsubasa, der Torwart der «Kickers». Ich habe in meinem Kopf nie so richtig einen Unterschied zwischen den beiden gemacht. Okay, die eine war eine Maus. Davon aber mal abgesehen: beide cute. 

Fast forward in meine Teenie-Jahre: Ich erzähle meinen Freunden, dass ich glaube, ich könnte mich auch in eine Frau verlieben. Keiner reagiert so richtig. Dann küsse ich den ersten Jungen, habe meinen ersten Freund – und dass ich glaube, ich sei bisexuell, zählt auf einmal nicht mehr. Ich war ja immerhin nie mit einem Mädchen zusammen. Also konnte es auch nicht stimmen. Das fanden meine Freunde. Und ich irgendwann auch. 

Nun ist sie doch lesbisch

Wir spulen noch mal vor. Zu meiner ersten, richtig ernsthaften Beziehung. Mit einer Frau. Plötzlich bekomme ich über drei Ecken Kommentare mit wie «wisst ihr schon, die ist jetzt lesbisch», «die steht jetzt auf Frauen – krass, oder?». Als ob ich meine Sexualität einfach mal kurz gewechselt hätte. Ich hatte mittlerweile begriffen, dass das Blödsinn war. Der Rest der Welt nach wie vor leider nicht.

Acht Jahre lang wehre ich mich nicht so richtig gegen die Annahme, ich sei lesbisch. Ganz ehrlich: Manchmal erzähle ich es selbst. Das ist einfacher, als jedes Mal Bi- oder Pansexualität zu erklären. Aber so richtig gut fühlt es sich nicht an. Verleugne ich mich selbst? Offiziell heisst es längst, alle dürfen so sein, wie sie wollen. Nur kommt es mir so vor, als urteilt darüber lieber jemand von aussen. Wie es eben gerade besser passt. Ich finde mich aus Bequemlichkeit damit ab. Erst mal.

Nun also doch wieder «normal»?

Denn siehe da, acht Jahre später – mittlerweile sind wir im Jetzt angekommen – bin ich wieder mit einem Mann liiert. Alle Welt regt sich darüber auf, dass queere Menschen auch 2020 noch mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Mich betreffen die aber plötzlich nicht mehr. Denn in der Gesellschaft gelte ich ab sofort wieder als hetero. Aber nur Gutes kann ich daran auch nicht finden. 

Als ich vor ein paar Wochen meine Familie in Deutschland besuchte, erzählte mir die (streng gläubige) Mutter meines besten Freundes, wie toll sie es findet, dass ich jetzt wieder mit einem Mann zusammen bin. Sie hatte es so schade gefunden, dass «so ein hübsches Mädchen» mit einer anderen Frau zusammen wäre. Sie sagte das so, als ob sie mir ein Kompliment für meine neue «Entscheidung» machte. Ich war so perplex, dass ich kaum etwas dazu sagen konnte. Es fühlte sich ein bisschen so an, als wollte sie die letzten acht Jahre meines Lebens einfach als «Phase» abtun, die nun zum Glück endlich vorbei ist. Kein schönes Gefühl …

Ein anderes Beispiel: In meine DMs slidete ganz zu Beginn meiner jetzigen Beziehung jemand, der fragte, ob wir uns mal treffen wollten. Ich lehnte mit einem «ich lerne gerade einen Mann kennen, den ich sehr mag» ab. Seine Reaktion darauf: «Ah, na dann habe ich ja eh keine Chance mehr. Du hast jetzt ja wieder einen Schwanz, der es dir besorgt.» Unnötig zu erwähnen, dass ich ihn sofort blockierte. Aber um das ein für allemal klarzustellen: Es war nicht der fehlende Penis, der mich nach mehr als sieben Jahren dazu brachte, die Beziehung zu meiner Freundin zu beenden.

Kann die sich nicht mal entscheiden?

Ich bin heute, mit 29, noch genauso pansexuell wie mit 11. Ich war es immer, und es wird immer so bleiben. Auch, wenn ich nie eine Beziehung mit einer Frau gehabt hätte, wäre ich es. Oder ausschliesslich mit Frauen. Egal. Unsere Partner definieren unsere Sexualität nämlich nicht. Aber nicht ernst genommen zu werden, oder in der Gesellschaft unsichtbar zu sein, tut weh und kann verletzen. Wenn euch also mal jemand sagt, er sei bi-, pan-, a- oder auf sonst irgendeine andere Art und Weise sexuell, dann akzeptiert das einfach. Glaubt es ihm. Egal wie seine bisherigen Erfahrungen so aussehen. Dann muss sich irgendwann vielleicht wirklich niemand mehr für seine Sexualität rechtfertigen. 

Von Malin Mueller am 19. Juni 2020 - 15:46 Uhr