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Ungefährlich ehrlich

Warum «Drunk Texting» gar nicht so schlimm ist

Wer betrunken zum Handy greift, begibt sich auf dünnes Eis. Manch einer nimmt dann Anlauf und macht hemmungslos einen Kopfsprung auf die Eisplatte. Genauer gesagt: Verschickt eine leidenschaftlich emotionale Nachricht, einen «Drunk Text». Glücklicherweise muss das nicht immer böse enden.

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Frauen machen Party und sind am Handy

Betrunken dem Ex schreiben? Muss nicht immer schlecht sein.

Getty Images

In einer meiner liebsten «How I Met Your Mother»-Folgen lernte ich einst: Kinder und Betrunkene sind sich in vielen Dingen ähnlich. Beide brabbeln unverständlich vor sich hin, beide sind ziemlich ungeschickt und beide neigen dazu, gewisse Dinge zu tun, die sie später bereuen. Das Problem? Während bei Kindern der angerichtete Schaden schnell durch ein «Ach, du bist ja noch ein Kind» behoben ist, ist das bei uns Erwachsenen leider etwas komplizierter. So zum Beispiel beim allseits bekannten «Drunk Texting».

So schnell ists passiert …

Bei diesem wahrlich amüsanten, allerdings auch nervenaufreibenden Phänomen, geht es ums Nachrichtenschreiben im betrunkenen Zustand. Wir stehen irgendwo gezwängt in einem Club, haben schon zwei, drei Drinks und vielleicht einen Shot intus, greifen in die Hosentasche und kramen das Handy heraus … Das ist jetzt der Moment, in dem unsere Freunde eingreifen, und uns das Ding aus den Fingern reissen müssten. Nur stehen diese wahrscheinlich schon an der Bar für die nächste Runde an – und wir stürzen unaufhaltsam ins Fettnäpfchen.

Der Daumen scrollt zielsicher durch die Kontake und wählt diese eine Person aus, der gegenüber wir gerade starke Emotionen verspüren. Das kann die beste Freundin sein, der wir einfach mal wieder «hab dich lieb» schreiben wollen. Es kann auch der One-Night-Stand vom letzten Wochenende sein, zu dem wir uns urplötzlich wieder hingezogen fühlen. Oder aber – wie leider in den meisten Fällen – der/die Ex. Unser betrunkenes Ich sieht da kein Problem, denn die Hemmschwelle ist tief wie nie. Die Finger fliegen übers Display und zack – schon ist die Nachricht gesendet.

Der Tag danach

Nun gibt es natürlich verschiedene Ausmasse von «Drunk Texting». Wenn wir Glück haben, haben wir vor lauter Party-Gewimmel nur ein simples, unverbindliches «hey» geschrieben. Wenn wir Pech haben, ist es zu Schuldzuweisungen oder den typischen «ich vermisse dich»-Geständnissen gekommen. Aber noch ist nicht alles verloren! Im besten Fall werden wir nämlich einfach ignoriert. Im schlimmsten kriegen wir eine schleimige Antwort oder werden ausgelacht. Beides unangenehm.

Je nach Nachricht sitzt der Schock am nächsten Morgen deshalb ziemlich tief. Was haben wir nur getan? Wie Peinlich! Reue holt uns ein. Wie konnten wir dieser Person nur so ungefiltert ehrlich die Meinung sagen? Das war viel zu direkt und totaaal unnötig. Oder?

Warum ist Ehrlichkeit ein Ausrutscher?

Nö, eigentlich nicht. Das ganze endet – sofern wir der Person sagen, dass die Nachricht ein Ausrutscher war – höchstens als charmante Peinlichkeit. Jede*r verliert Mal für einen Moment die Kontrolle über seine Gefühle und das ist nichts, wofür wir uns schämen müssten. Und ausserdem: Seit wann ist es denn bitte falsch, einfach mal unverblümt ehrlich zu sein? Ist doch gut, wenn das Gegenüber weiss, woran es ist, und was man von ihm/ihr hält.

Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir schliesslich damit, unsere Gefühle 100x zu überdenken und sie dann – wenn überhaupt – nur sehr gefiltert zu zeigen. Oft wollen wir sie ja nicht mal uns selbst gegenüber so richtig zugeben. Ist halt nicht so lässig, nachdenklich und verletzlich zu sein. Lieber wirken wir unkompliziert, locker, easy-going. Aber dann neigt sich der vierte Mojito dem Ende, zerstört unsere mühevoll aufgebaute Coolness und plötzlich sind wir – ja, wir sagen es am besten – menschlich. Merkt ihr schon, ist gar nicht so schlimm.

Mit Apps oder Digital-Detox seid ihr safe

«Drunk Texting» bringt also die knallharte Wahrheit ans Licht. Ist doch gut, wenn wir das manchmal zulassen. Praktischerweise erfahren wir sogar, wie es wirklich um unsere Gefühle steht. Oder wer weiss: Vielleicht hat unser Crush, dem wir mit einem Schwips (und drei Rechtschreibfehlern pro Satz) unsere Liebe gestanden haben, ja auch Gefühle für uns? Das wär doch mal eine aufregend einzigartige Love-Story! Und ansonsten gibt es ja noch die absolut sicherste Vorsichtsmassnahme ever: Handy zu Hause lassen. Wem ein Abend Digital-Detox dann doch zu viel des Guten ist, der kann auch eine «Drunk Blocker»- oder «Drunk Mode»-App herunterladen. Dort könnt ihr einige Kontakte auswählen, die für einen bestimmten Zeitraum gesperrt werden. Kontaktieren könnt ihr diese dann nur, wenn ihr einen vorher festgelegten Test absolviert. In diesem Sinne: Viel Glück!

Von Lara Zehnder am 16. Juni 2020 - 17:39 Uhr