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Expertin verrät:

Schluss mit «Emotional Eating»! So klappt's

Die Ernährung umzustellen, gehört zu den häufigsten Neujahrsvorsätzen. Ernährungsexpertin Dr. Kathrin Vergin erklärt, wie wir am Ball bleiben und was es mit «Emotional Eating» auf sich hat.

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Shutterstock/Pixelbliss

Viele Menschen neigen dazu, während Emotionsschwankungen zu essen.

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Weniger Schokolade, weniger Fleisch, mehr Gemüse: Eine Ernährungsumstellung ist einer der beliebtesten Neujahrsvorsätze. Die anfängliche Euphorie verfliegt bei vielen allerdings schnell und sie rutschen zurück in alte Gewohnheiten.

Ernährungsexpertin Dr. Kathrin Vergin, die in ihrem neuen Buch «Das Emotional Eating Kochbuch» Tipps und Infos zum emotionalen Essen gibt, erklärt im Interview, warum es uns so schwerfällt, eine neue Ernährungsweise zu adaptieren.

Style: Zum Jahreswechsel nehmen sich viele vor, ihre Ernährung umzustellen. Dass radikale Diäten dabei eher kontraproduktiv sind, ist inzwischen bekannt. Wie schaffe ich es wirklich, mich gesünder zu ernähren?

Dr. Kathrin Vergin: In dem ich als Erstes alle meine bisherigen Ansätze zu Diäten ablege und anfange, mich auf den Prozess und nicht auf das Gewichtsziel zu fokussieren. Ich muss erstmal verstehen, welche Bedürfnisse ich tief in mir trage und warum ich Essen als Ausgleich dafür missbrauche. Diäten laufen in unserem Gehirn auf einer rein rationalen Vernunftebene an. Bedürfnisse werden aber durch Emotionen getriggert. Daher arbeite ich mit einer Diät nur gegen mich selbst. Wenn ich verstehe, warum ich zu Essen greife, obwohl ich physisch keinen Hunger habe, schaffe ich es auch wieder gute, gesunde Entscheidungen beim Essen zu treffen.

Oft klingt die Motivation schon nach einigen Wochen wieder ab. Wie bleibt man langfristig am Ball?

Indem ich anfange, die offenen Baustellen in meinem Alltag nach und nach anzugehen. Wenn ich also weiss, dass ich immer wieder aus Emotionen heraus esse, dann stellt sich doch die Frage, was dafür der Auslöser ist. Ist es der Stress? Probleme im sozialen Umfeld oder falsche Gewohnheiten oder Glaubenssätze. Diese Felder muss ich mit mir selbst bearbeiten, damit Essen diese Rolle nicht mehr übernehmen muss. Das kann im Kleinen anfangen und kann so auch im täglichen Leben helfen. Merke ich schnell Fortschritte, so bleibe ich auch eher dabei.

Oft greifen wir aus Faulheit oder Zeitnot zum Lieferservice oder Fertiggerichten zurück. Haben Sie konkrete Tipps, wie ich das vermeiden kann?

Wenn der Heisshunger kommt, dann kommt er schnell und ist unerbittlich. Niemand stellt sich dann noch zwei Stunden in die Küche. Daher habe ich Rezepte gegen Heisshunger zusammengestellt, die genauso schnell zubereitet sind, wie die Pizza oder das Sushi beim Lieferservice braucht. Der Vorteil: gesünder, nährstoffreicher und sättigender. Ausserdem gibt es viele 5-Minuten-Quickies, mit denen es noch schneller geht. Der Vorteil: es gibt kein schlechtes Gewissen und ich tue damit was für meine neuen Gewohnheiten.

Thema «Emotional Eating»: Weshalb neigen wir dazu?

«Emotional Eating» kann grundlegend erstmal auch gut und positiv sein. Das ist wichtig zu verstehen. Gerade im sozialen Kontext stellt Essen dann Nähe her und man fühlt sich in der Gemeinschaft beim Essen wohl. Kritisch wird es, wenn ich gar nicht mehr weiss, wie ich meine Emotionen anders kompensieren kann. Wenn das der Fall ist, habe ich entweder nicht verstanden, was meine wahren Bedürfnisse sind, oder ich habe diese durch mein angepasstes Verhalten unterdrückt. Gefühle wollen immer an die Oberfläche und sie wollen wahrgenommen werden. Passiert das nicht, braucht es ein Ventil. Wir essen.

Wie erkennen wir den Unterschied zwischen wirklichem Hunger und emotionalem Hunger?

Das ist eigentlich sehr einfach: Hunger ist zunächst mal ein angeborener Reflex: Er ist ein physiologisches, also körperliches Verlangen nach Nahrung, und schützt uns vor Unterernährung und Mangelerscheinungen. Der Hunger ist das Gegenteil des Appetits, der beim emotionalen Essen eindeutig vorrangig beteiligt ist. Appetit ist ein psychischer Zustand, der sich durch das aufdrängende Verlangen, etwas Bestimmtes zu essen oder auch zu tun, auszeichnet. Um beide Signale richtig einzuschätzen, kann man sich Folgendes merken – und das sind aus meiner Sicht auch die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale: Echter körperlicher Hunger entwickelt sich langsam und man kann ihn über einen längeren Zeitraum aushalten.

Hat das, was wir essen, auch einen Einfluss auf unsere Emotionen oder die Psyche?

Ernährung und Psyche hängen eng zusammen. Nährstoffe beeinflussen unseren Gehirnstoffwechsel. Sie sorgen für ein Gleichgewicht der Botenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Diese Botenstoffe haben die Aufgabe, unser körperliches Wohlbefinden, Glücksgefühle, Stressempfinden oder unsere Stimmung zu regulieren. Wenn durch falsche oder mangelhafte Ernährung wichtige Nährstoffe fehlen, werden weniger Glückshormone gebildet. Das sensible Gleichgewicht der Neurotransmitter gerät durcheinander und das wirkt sich wiederum negativ auf unsere Stimmung aus.

Wann wird emotionales Essen zum Problem und wie erkenne ich das an mir selbst?

Es wird dann zum Problem, wenn ich in den meisten Situationen, in denen ich starken Emotionen ausgesetzt sind, keine Alternative zum Essen finde. Das bedeutet, dass ich ständig essen muss, um mich zu entspannen, mich zu belohnen oder Stress abzubauen. Ich verspüre dadurch kaum noch Hunger, weil ich irgendwie immer am Essen bin. Da ein Bonbon, da ein Stück Kuchen, ein Stück Käse aus dem Kühlschrank usw. Wenn ich nicht mehr weiss, wie ich mich anders entspannen kann und dafür immer häufiger Essen missbrauche, dann wird es zum Problem. Aber das wichtigste Merkmal ist aus meiner Sicht das danach folgende schlechte Gewissen. Das Gefühl gerade etwas «Verbotenes» gegessen zu haben, wieder sich nicht an die Diät gehalten zu haben, Angst zu haben zuzunehmen, weil man mal wieder nicht genug Disziplin hatte. Dann bin ich im Kreislauf des emotionalen Essens angekommen.

Wie kann ich gegen emotionales Essen ankämpfen?

Indem ich im ersten Schritt an Diäten ablege und erstmal die komplette Kontrolle über mein Essverhalten aufgebe. Das erfordert Mut. Aber nur wenn ich anfange, mich mit meinen Emotionen und meinen Bedürfnissen zu befassen, dann habe ich die Chance davon loszukommen. Genau dafür habe ich meinen neuen Ratgeber geschrieben, denn ich möchte allen Betroffenen helfen, sich selbst mit einer neuen Methode zu helfen. Das Thema ist einfach sehr vielschichtig und kann in vielen Lebensbereichen auftreten, daher geht es darum sich mit Themen wie Glaubenssätzen, Gewohnheiten, Routinen und vor allem dem Thema Stress zu befassen.

Wie können Betroffene mit Rückfällen umgehen?

Dadurch, dass man sie erstmal akzeptiert. Für die Etablierung einer neuen Gewohnheit braucht man im Schnitt 16 Anläufe oder ca. 60 Tage. Das kann also etwas länger dauern als die Crash-Diät. Es ist aber nachhaltiger und setzt an der Ursache an. Was da hilft, ist sich nicht ein Ziel zusetzen, sondern sein persönliches Warum zu definieren. Warum will ich die Veränderung? Nicht für andere, sondern für mich. An dieses Warum kann ich mich erinnern, wenn es mal schwer wird. Wichtig ist die Kontinuität. Emotionales Essen wird besser, wenn ich am Ball bleibe. Es ist kein gradliniger Weg, aber er ist es wert ihn zu gehen.

Von spot am 10. Januar 2023 - 09:01 Uhr