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Digital Detox

Ich bin dann mal weg – so geht man offline

Nur noch kurz die Mails checken, schnell einer Freundin zurückschreiben … Wer ständig on ist, findet keine richtige Erholung. Digitalexpertin Sarah Genner erklärt, wie man runterfährt.

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KJGA29 Businessman with headphones lying on a bench next to tablet

Den Autoreply einrichten, und die Ferien können beginnen!

Alamy Stock Photo

Barbara Halter: Die letzten Wochen verbrachten alle viel mehr Zeit vor Bildschirmen und waren online. Ein Grund zur Sorge?
Sarah Genner: Ich bin keine Anhängerin kulturpessimistischer Thesen. Wir haben durch die Pandemie gemerkt, wie wichtig Bildschirme sein können, um uns mit anderen sozial zu verbinden und unsere Arbeit machen zu können.

Wie viel Zeit verbringen wir in der Schweiz durchschnittlich am Handy?
Die Zahlen sind unzuverlässig. Es ist schwierig zu definieren, wann man online ist und wann offline. Bin ich zum Beispiel online, wenn ich das Gerät in der Tasche habe und nur auf den Klingelton reagiere – oder erst, wenn ich es aktiv nutze? Eine steigende Bildschirmzeit bedeutet nicht per se ein schlechteres Leben. Wichtiger ist, was man daneben für Aktivitäten hat.

Wann kippt die Balance?
Klassische Anzeichen sind ein Leistungsabfall in der Schule oder bei der Arbeit, dazu ein sozialer Rückzug. Eine exzessive Bildschirmnutzung ist wie bei anderem Suchtverhalten oft eine Ablenkung für etwas im Leben, das man emotional nicht bewältigen kann.

Welche gesundheitlich negativen Auswirkungen haben digitale Medien?
Verkehrsunfälle haben zugenommen: Ein Smartphone am Steuer bedeutet eine viermal höhere Unfallgefahr, auch Fussgänger sind abgelenkt und gefährden sich. Forscher warnen vor Haltungsschäden vom Sitzen vor dem Computer oder durch das Runterschauen aufs Smartphone. Auch die Augen leiden, und es kann zu Kurzsichtigkeit kommen. Viele Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Thema Schlaf, Burnout und Onlinesucht.

Digital Detox Sarah Genner
HO
Zur Person

Sarah Genner, Medienwissenschaftlerin und Digitalexpertin. Ihr Buch «On/Off» beschäftigt sich mit den Auswirkungen des mobilen Internets.

Wo liegt das Problem bezüglich Handys und Schlafzimmer?
Die bläuliche Hintergrundstrahlung simuliert dem Körper Tageslicht, und das Schlafhormon Melatonin wird unterdrückt. Inzwischen schalten viele Handys auf Nachtmodus, das Licht wird rötlich und simuliert Dämmerung. Im Körper erhöht sich der Melatonin-Spiegel, wir werden ruhiger. Noch besser verbannt man das Handy aus dem Schlafzimmer. Eine bis zwei Stunden vor dem Schlafen sollte man das Gerät weglegen, um innerlich abzuschalten. Wenn wir über Handy und Gesundheit sprechen, möchte ich aber auch ein paar positive Punkte nennen.

Bitte!
Über das Handy kann man Notrufe absenden, die App der Rega hilft, Menschen zu retten, Ärzte können Daten sammeln. Während der Pandemie ist bei vielen Menschen dank Home Office die Arbeitszufriedenheit gestiegen.

Wieso fällt es vielen so schwer, das Smartphone wegzulegen?
Ein Grund ist FOMO, Fear of Missing out: die Angst, etwas zu verpassen. Die ist bei Jugendlichen gross, aber auch bei Eltern mit Kindern oder bei Menschen, bei denen die ständige Erreichbarkeit zum Jobprofil gehört. Auch Gewohnheiten spielen eine grosse Rolle: Das Handy ist für unser Gehirn hoch stimulierend, jede neue Nachricht, jeder Like gibt einen kleinen, angenehmen Kick – diesen suchen wir immer wieder.

Ist Digital Detox bloss ein Modewort, oder bringt das was?
Ich habe Mühe mit dem Begriff. Es wird oft suggeriert, dass das Internet das Problem sei. Das glaube ich nicht. Ich beantworte in den Ferien und an Wochenenden zwar keine Mails, möchte aber die Vorteile des Handys – Fotografieren, Karten, ein gutes Restaurant finden – nicht missen. Im Grunde geht es darum, dass wir Pausen von der Arbeit und den privaten Sozialkontakten einlegen. Das ist mehr ein soziales denn ein technisches Problem.

Wie gelingen diese Pausen?
Indem man sich eingesteht, ich brauche Zeit zur Erholung! Konkret: in den Ferien die Mail-App löschen, Push-Nachrichten abbestellen, sich um eine Stellvertretung kümmern sowie einen Abwesenheitsassistenten einrichten. Und auf keinen Fall trotzdem zurückmailen. Bei Sozialkontakten ist der Druck, immer erreichbar zu sein, oft grösser als im Beruf. Man soll sich überlegen: Welche Freundschaften sind wirklich wichtig? Gute Freunde verstehen, wenn man sagt, ich bin jetzt weg. Es ist auch ein Priorisieren: Hängt mein Leben davon ab, was die anderen von mir denken, oder ist mir meine persönliche Gesundheit wichtiger? Je älter und gereifter man ist, desto einfacher fallen einem diese Entscheide.

Check

E-Mail-Ferien machen
Im Büro eine Stellvertretung organisieren und bei den Mails einen Autoreply einrichten. Auf dem Smartphone alle Pushnachrichten abbestellen, die Mail-App löschen und keinesfalls trotzdem Nachrichten beantworten – so untergräbt man bloss sich selbst!

Sich selbst beobachten
Wo ist mein Smartphone während des Essens, während Gesprächen, im Strassenverkehr, während der Nacht? Ist es mir wichtig, ab und zu gar nicht erreichbar zu sein?

Einen Wecker kaufen
Viele Handys haben einen Nachtmodus, trotzdem das Gerät ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen weglegen. Wer einen klassischen Wecker hat, kann das Handy ganz aus dem Schlafzimmer verbannen.

Apps zum Abschalten
Die App «Forest» belohnt digitale Enthaltsamkeit mit virtuellen Bäumen, «Offtime» blockiert Apps, Nachrichten und Anrufe für eine gewünschte Zeit. Ausserdem verfügen viele Geräte über eigene Varianten und Dienste, um die Bildschirmzeit zu minimieren.

Von Barbara Halter am 8. August 2020 - 16:09 Uhr