Geht es euch auch so? Momentan wache ich jeden Morgen mit einem riesengrossen Fragezeichen im Gesicht auf. Was war da nur wieder los? Ob ich von geliebten Menschen, Reisen oder der Natur träume, momentan sind meine nächtlich-zusammengereimten Geschichten deutlich seltsamer und vor allem lebendiger als sonst. Wenn ich hektisch aufwache, fühle ich mich davon sogar ganz ausgepowert – so sehr, dass ich am Morgen kaum erholt bin.
Wir müssen Ungewohntes verarbeiten
Rubin Naiman, Ph.D., Psychologin und Professorin der University of Arizona, wundert das nicht:
«In [Krisen-]Zeiten wie diesen träumen meine Patienten immer mehr als sonst.»
Als Grund für unser intensives Träumen sieht sie ganz klar die herrschende Pandemie. Die Quarantäne sei so ungewohnt für uns, dass unser Gehirn viel Neues zu verarbeiten hat. Um uns das zu verdeutlichen, vergleicht Naiman unser Gehirn mit einem Darm. Erleben wir etwas Bekanntes, haben wir keine Probleme damit, es zu verdauen. Wenn allerdings etwas von unserer ganz eigenen Normalität abweicht – wie etwa eine Pandemie – gibt es plötzlich einiges, was wir verarbeiten müssen. Und das passiert eben am häufigsten im Schlaf. Haben wir zurzeit mehr Albträume, kann das also darauf hindeuten, dass wir unterbewusst mehr Angst vor dem Coronavirus und seinen Folgen haben, als es uns vielleicht klar ist.
Wir vermissen
Eine weitere These für unsere verrückten Träume während der Quarantäne liefert die Autorin und Professorin der Harvard Medical School Deirdre Leigh Barrett, Ph.D. Sie zieht den Vergleich zu den Träumen, die britische Soldaten während des Zweiten Weltkriegs hatten. Sie berichteten zu dieser Zeit vor allem über Träume von ihrem Lieblingsessen. Für Barett ein Indiz dafür, dass wir oft von Dingen träumen, nach denen wir uns sehnen. Gehts in euren Nächten vor allem um tolle Ferien mit euren Freunden oder Besuche bei der Familie? Dann ist es recht eindeutig, dass euch genau das derzeit am meisten fehlt.
Wir schlafen länger
Erinnern wir uns momentan vielleicht nur öfter an unsere Träume? Immerhin hängen Traumerinnerungen laut Barrett stark davon ab, wie viele Stunden Schlaf wir bekommen. Und da die meisten von uns sich aktuell schon mal den Weg zu Arbeit sparen, oder sogar gar nicht mehr arbeiten können, schlafen wir in der Regel länger als in unserem gewohnten Alltag. Das letzte Drittel unserer Schlafphasen – in welchem wir am meisten träumen – hält in der Quarantäne also oft länger an.
Befristeter Ausnahmezustand
Weiss man erst einmal, was Sache ist, kann man seine Träume ziemlich einfach deuten – und das kann sogar Spass machen. Warum ich wohl häufig von der Natur und Reisen träume? Klar, weil ich hauptsächlich in meiner Wohnung hocke und es vermisse, rauszukommen und Neues zu erleben. Dass ich damit nicht allein bin, weiss ich jetzt – und dieses Wissen hat doch schon immer geholfen.
P.S.: Mit Ende der Quarantäne ist unser intensives Träumen mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit so schnell wieder vorbei, wie es gekommen ist. Wieso morgens nicht mal schnell alles aufschreiben, was man wieder Verrücktes geträumt hat? In einem halben Jahr lässt sich bestimmt darüber lachen.