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Schlafforscher erklärt

So beeinflusst die Corona-Pandemie den Schlaf

Seit Beginn der Corona-Pandemie leiden viele Menschen unter Schlafstörungen. Dr. Alfred Wiater klärt im Interview über die Ursachen auf.

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Mitten in der Nacht aufwachen - woran liegt das?

imago images/Cavan Images

Seit mehr als einem Jahr immer wieder Home Office, die Kinder daheim betreuen und auf soziale Kontakte verzichten müssen. Die Corona-Pandemie hat nachweislich negative Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit. Das bestätigt auch Dr. Alfred Wiater. Er ist Schlafforscher und Schlafmediziner und hat gemeinsam mit Dr. med. Christoph Schöbel das Buch «Ticken Sie richtig? Wie Sie zu Ihrem gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus finden» geschrieben. «Insgesamt haben in der Pandemie Schlafstörungen um bis zu 60 Prozent zugenommen», erklärt Wiater im Interview. Betroffen seien besonders Menschen, «die erheblich gestresst sind und sich wegen des Infektionsgeschehens Sorgen machen.»

Einige können von der Corona-Pandemie jedoch auch profitieren. Infolge von Home Office und Home Schooling können sie etwa morgens länger ausschlafen. «Der Weg zur Arbeit und Schule entfällt», führt der Experte aus. «Dadurch wird der soziale Jetlag, dem die meisten Menschen ausgesetzt sind, weil sie nicht ausschlafen können, zum Teil kompensiert.»

Doch was genau ist ein sozialer Jetlag überhaupt? «Unsere innere Uhr tickt anders als die Uhren, die unsere Zeit bestimmen», erklärt Wiater. «Für unsere innere Uhr dauert ein Tag gemittelt 24 Stunden und elf Minuten, also länger als die vorgegebenen 24 Stunden. Deshalb müssen wir unsere innere Uhr immer wieder mit der Uhrzeit synchronisieren, damit wir nicht aus der Zeit geraten.» Nur wem das gelinge, gehe es «einigermassen gut». Andererseits würde man sich erschöpft und frustriert fühlen.

Einschlafprobleme? Das sind die Ursachen

Aber nicht nur die Pandemie führt zu unruhigem Schlaf oder Einschlafproblemen. Auch die globale Digitalisierung trägt laut dem Schlafforscher eine Mitschuld: «Stichwort 24/7-Gesellschaft, wir sollen rund um die Uhr erreichbar sein. Das Gefühl der permanenten Erreichbarkeit schafft in uns einen erhöhten Stresslevel mit einer gesteigerten Erwartungshaltung für das, was kommen könnte, und mit erhöhter Anspannung, um bloss nichts zu verpassen», so Wiater. Zudem hindere das Bildschirmlicht, insbesondere der Blaulichtanteil, viele Menschen am Einschlafen. «Das gilt auch und insbesondere für Kinder und Jugendliche. Das führt zu chronischem Schlafmangel. Körperliche, psychische und mentale Probleme sind die Folgen. Deshalb sind mediale Auszeiten so wichtig», warnt der Experte.

Auch Wecker seien aus «gesundheitspolitischer Sicht gesundheitsschädlich», so der Schlafforscher weiter. «Allein schon der Gedanke daran, dass morgens der Wecker klingeln wird - oder was auch immer -, hindert manchen am Ein- und Durchschlafen.» 83 Prozent der arbeitenden Bevölkerung benötige an Werktagen einen Wecker, führt Wiater aus. Eigentlich würden diese Menschen morgens folglich länger schlafen. «Wecker verursachen regelmässigen Schlafentzug und gefährden dadurch unsere Gesundheit», warnt der Experte. «Je nach Schlafphase, aus der uns der Wecker abrupt herausreisst, sind wir am frühen Morgen mehr oder weniger schlaftrunken und orientierungslos.» Erst wenn man nach und nach in seinen Tagesrhythmus gefunden habe, werde man fitter, «aber ob wir aufgeweckt sind, wenn wir aufgeweckt werden, darf man doch sehr bezweifeln», gibt der Autor zu bedenken.

Plötzlich wach mitten in der Nacht: Daran liegts

In der Nacht gehen uns oft viele Gedanken im Kopf herum, das kann uns zum einen am Einschlafen hindern oder uns mitten in der Nacht in der «Stunde des Wolfes» aufwachen lassen. Und das «meist zwischen zwei und drei Uhr nachts, wenn unsere Körpertemperatur heruntergefahren und das sogenannte Schlafhormon Melatonin noch hochaktiv ist, während unsere Serotonin- und Cortisolspiegel noch ganz niedrig sind», erklärt Wiater. Dann würden die positiv stimmenden Einflüsse des Serotonins und die Anti-Stress-Wirkung des Cortisols fehlen. «Und die Durchblutung des Gehirns ist in entscheidenden Bereichen gedrosselt. Wir werden dünnhäutig. Angst, Pessimismus und gedrückte Stimmung dominieren», erklärt der Schlafforscher.

Die «Stunde des Wolfes» ist laut dem Experten evolutionsgeschichtlich begründet. Unsere Vorfahren mussten besonders in der Nacht aufpassen, damit sie und ihr Vieh nicht Raubtieren zum Opfer fielen. Doch was kann dagegen helfen? Der Experte empfiehlt, in solch einem Fall «langsam aufzustehen, damit die Hirndurchblutung wieder in Gang kommt, Licht anzumachen, um den Melatoninspiegel abzusenken, zur Toilette zu gehen, ein Glas Wasser zu trinken, um dann wieder in den Schlaf zu finden».

Von spot am 22. Mai 2021 - 16:09 Uhr