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Allergisch oder intolerant?

So entlarven wir Lebensmittel-Unverträglichkeiten

Bauchkrämpfe, Übelkeit und Durchfall – wer gewisse Lebensmittel nicht verdauen kann, leidet. Vor allem dann, wenn eine klare Diagnose fehlt. Mit der richtigen Beratung und einer Umstellung der Ernährung kann man aber meistens wieder beschwerdefrei geniessen.

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Milch und Brot

Brot und Milch enthalten meistens Gluten und Laktose – bei manchen führt das zu Bauchweh.

Getty Images/Cultura RF

Etwa 20 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen glauben, allergisch auf gewisse Lebensmittel zu reagieren. Tatsache ist: Nur auf zwei bis acht Prozent trifft das zu. Denn Achtung: Wenn man ein Nahrungsmittel nicht verträgt, heisst das nicht, dass man auch dagegen allergisch ist. Der Unterschied zwischen Allergien und Intoleranzen? Bei Allergien handelt es sich um eine immunologische Reaktion auf gewisse Inhaltsstoffe. Bei Intoleranzen im weitesten Sinne um eine Verdauungsstörung. Trotzdem können Lebensmittelintoleranzen sehr unangenehm sein und zum Teil auch gesundheitliche Folgen haben.

Die Laktoseintoleranz führt die Liste der Unverträglichkeiten an. So sind in der Schweiz bis zu 20 Prozent davon betroffen, bei der Histaminintoleranz und der Zöliakie sind es je rund ein Prozent, bei der Fruktoseintoleranz ist die Anzahl der Betroffenen unbekannt. Ob die Zahlen in letzter Zeit gestiegen sind oder weiterhin zunehmen, können Experten nicht klar sagen. Ein Grund dafür ist, dass die Diagnosen zum Teil sehr kompliziert sind.

Ganz wichtig sei es, dass man sich bei einem Verdacht an seriöse Fachpersonen wendet. «Die Ernährungsberaterin sollte diplomiert sein, zusätzlich den Titel FH/HF oder BSc tragen und auf Lebensmittelallergien oder Intoleranzen spezialisiert sein», rät Michèle Anklin, dipl. Ernährungsberaterin FH vom Universitätsspital Zürich. Sie weiss genau, worauf man bei welcher Intoleranz achten muss, und sie verrät ihre praktischen Tipps.
Mehr Infos zum Thema findet man auf der Homepage von aha! Allergiezentrum Schweiz.

Histamin

Glas Rotwein und Flasche

Vorsicht: Rotwein enthält relativ viel Histamin. Es gibt aber auch Sorten, die mit wenig auskommen. 

Getty Images

Auslöser
Bei der Histaminintoleranz besteht ein Missverhältnis zwischen dem Angebot und dem Abbau von Histamin. Die Folge: Es kommt zu einer Überkonzentration, die die Symptome auslöst. Histamin ist ein Botenstoff für Entzündungsreaktionen, den wir über die Nahrung aufnehmen, aber auch selber bilden.

Vorkommen
Unter anderem in alkoholischen Getränken, in gereiften oder stark verarbeiteten Nahrungsmitteln sowie in gewissen Gemüsen.

Symptome
Plötzliche Hautrötungen, Juckreiz, Verdauungsbeschwerden, Schwindel, chronischer Schnupfen, Kopfschmerzen, Herzrasen, rote Augen und geschwollene Lippen.

Diagnose
Es existiert kein aussagekräftiger Test. Hilfe bietet nur eine Eliminationsdiät, welche am besten durch eine dipl. Ernährungsberaterin begleitet wird.

Therapie
In einer ersten Phase hilft nur eine strikte Eliminationsdiät. In einer zweiten Phase sollte man die individuelle Verträglichkeit ermitteln. Es gibt die Möglichkeit, das fehlende Enzym Diaminoxidase mit Kapseln einzunehmen oder unter ärztlicher Aufsicht ein Antihistaminikum (Allergiemedikament) auszuprobieren.

Tipp der dipl. Ernährungsberaterin
Der Histamingehalt eines Nahrungsmittels kann stark schwanken. Deshalb sollte man dasselbe Nahrungsmittel mehrmals testen. Oft wird nämlich eine kleine Menge vertragen, und man muss nicht vollständig darauf verzichten.

Gluten

Weizen und Hafer

Gluten kommt in heimischem Getreide wie Weizen und Hafer vor. 

Getty Images

Auslöser
Bei der Zöliakie handelt es sich um eine extreme Überempfindlichkeit gegenüber Gluten. Bei einer Unverträglichkeit ruft das Klebereiweiss eine immunologische Reaktion hervor, welche die Darmschleimhaut schädigen kann. Zudem können Nährstoffe weniger gut aufgenommen werden, was Mangelerscheinungen hervorrufen kann (zum Beispiel Eisenmangel).

Vorkommen
Vor allem in heimischen Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste und Hafer und allenfalls daraus hergestellten Produkten wie Mehl, Nudeln, Bier.

Symptome
Unter anderem Übelkeit, Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Müdigkeit. Oder Symptome ausserhalb des Magen-Darm-Trakts (Hautausschlag oder Gelenkschmerzen). Manche haben aber auch gar keine Symptome.

Diagnose
Wenn es sich um eine Gluten-Sensitivität handelt, gibt es keinen spezifischen Test, da hilft nur das Ausschlussverfahren. Bei Verdacht auf eine Zöliakie sollten die spezifischen Zöliakie-Antikörper unter glutenhaltiger Ernährung im Blut gemessen werden. Sind die Werte erhöht, sollte noch eine Dünndarmspiegelung mit Biopsie folgen.

Therapie
Bei Zöliakie: lebenslange, strikt glutenfreie Ernährung. Bei einer Sensitivität: Bei diesem Krankheitsbild ist noch vieles unklar, auch wie strikt Gluten vermieden werden sollte. In diesem Fall ist es besonders wichtig, sich von einer spezialisierten Ernährungsberaterin begleiten zu lassen.

Tipp der dipl. Ernährungsberaterin
Wichtig ist, dass man eine Zöliakie ausschliesst, bevor man sich glutenfrei ernährt. Denn unter glutenfreier Ernährung gehen die Antikörper zurück, sodass eine Zöliakie-Diagnose dann nicht mehr möglich ist.

Laktose

Milch

Laktose ist vor allem in Milch enthalten – 20 Prozent der Schweizer*innen vertragen sie nicht. 

Getty Images

Auslöser
Laktose (Milchzucker) kommt in der Milch von Säugetieren vor. Personen mit einer Unverträglichkeit fehlt das Laktase-Enzym, das den Milchzucker im Dünndarm spaltet, damit er ins Blut aufgenommen werden kann. Anstatt ins Blut gelangt der Milchzucker unverdaut in den Dickdarm und wird dort von Bakterien vergoren. Eine Laktoseintoleranz ist in erster Linie unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich.

Vorkommen
Milch, Milchprodukte sowie Fertigprodukte oder Medikamente. Aber Achtung: Nicht alle Milchprodukte enthalten gleich viel Laktose. Butter und Hartkäse haben vergleichsweise wenig Laktose und werden meistens vertragen.

Symptome
Blähungen, Bauchkrämpfe, Durchfall, Übelkeit, Verstopfung und selten Erbrechen.

Diagnose
H2-Atemtest oder Blut-Gentest, der eine Veranlagung anzeigen kann, oder eine Darmbiopsie.

Therapie
In einer ersten Phase wird empfohlen, ganz auf Laktose zu verzichten. In einer anschliessenden Testphase kann man dann mithilfe einer dipl. Ernährungsberaterin die individuelle Verträglichkeit ermitteln. Man kann auch mit Tabletten oder Kapseln das fehlende Enzym Laktase einnehmen.

Tipp der dipl. Ernährungsberaterin
Oft werden kleinere Mengen von Milchzucker dennoch vertragen. Man sollte in diesem Fall Milchprodukte weiterhin in kleineren Mengen einplanen – so kann man verhindern, dass die Enzymaktivität der Laktase noch weiter abnimmt. Auch wegen des Kalziumgehalts sollte man weiterhin zwei- bis dreimal täglich Milchprodukte essen, das können auch laktosefreie Produkte sein.

Fruktose

Äpfel

Steinobst wie Äpfel enthalten meistens viel Fruktose. 

Getty Images/EyeEm

Auslöser
Bei der Fruktosintoleranz ist die Funktion des Transportproteins für Fruktose eingeschränkt. Das bedeutet, dass der Fruchtzucker nicht ausreichend in die Darmzellen aufgenommen werden kann. Die Folgen sind aus medizinischer Sicht nicht schwerwiegend, können jedoch sehr belastend sein.

Vorkommen
Vor allem in Kern- und Steinobst, Fruchtsäften, Dörrobst und Honig enthalten.

Symptome
Die gleichen wie bei der Laktose-Unverträglichkeit.

Diagnose
H2-Atemtest, obwohl ab einem gewissen Fruktosegehalt jeder Mensch Beschwerden aufweist. Grund: Der gesunde Darm kann nicht unbegrenzt Fruktose absorbieren. Das heisst: Dieser Test liegt je nach verwendeter Fruktosemenge bereits im Graubereich.

Therapie
In einer ersten Phase sollte man versuchen, ganz auf Fruktose zu verzichten. In einer anschliessenden Testphase sollte man dann mithilfe einer dipl. Ernährungsberaterin die individuelle Verträglichkeit ermitteln – so muss man sich dann nicht unnötig einschränken.

Tipp der dipl. Ernährungsberaterin
In Kombination mit Protein und Fett (am besten als Dessert nach einer Hauptmahlzeit), wird eine Frucht besser vertragen. Man kann die Verträglichkeit von Früchten auch verbessern, wenn man kurz vorher einen Traubenzucker isst oder zum Beispiel einen Fruchtsalat mit Traubenzucker süsst.

Das sagt die Ärztin

Prof. Dr. Barbara Ballmer-Weber

Prof. Dr. Barbara Ballmer-Weber, Chefärztin des Fachbereichs Allergologie der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Kantonsspital St. Gallen.

HO

Style: Was ist der Unterschied zwischen einer Lebensmittelallergie und einer Lebensmittelintoleranz?
Prof. Ballmer-Weber: Eine Allergie auf Lebensmittel beruht auf einer immunologischen Reaktion (Abwehrreaktion) des Körpers gegenüber harmlosen pflanzlichen oder tierischen Eiweissen. Er bildet sogenannte IgE-Antikörper. Diese lösen bei jedem Kontakt – oft genügen kleine Mengen des entsprechenden Nahrungsmittels – eine allergische Reaktion aus. Bei einer Lebensmittelintoleranz hat der Körper die Fähigkeit teilweise oder ganz verloren, einen bestimmten Stoff ohne Beschwerden zu verdauen – oder er hat diese Fähigkeit nie besessen.

Aber die Symptome sind dieselben?
Ich würde eher sagen, sie ähneln sich. Denn bei einer Allergie kann es wie bei einer Unverträglichkeit zu Bauchweh, Übelkeit und Erbrechen kommen. Diese Reaktion stellt sich aber meist unmittelbar ein und ist auch selten isoliert. Das heisst, dass bei einer Allergie meistens auch Symptome wie Ausschläge, Rötungen der Haut, Schwellungen oder Atemnot auftreten.

Nehmen Lebensmittelunverträglichkeiten tatsächlich zu?
Konkrete Zahlen gibt es nicht. Ein Grund dafür ist, dass die Diagnose der Unverträglichkeiten kompliziert sein kann. Wir stellen aber schon fest, dass sich vermehrt Personen mit einer Laktoseintoleranz oder einer Histaminintoleranz bei uns melden. Und viele Patienten sind auch verunsichert, was das Thema Gluten betrifft. Hier gibt es unterschiedliche Krankheitsbilder.

Welche?
Einerseits gibt es die Zöliakie, bei der es sich im weitesten Sinne um eine Allergie handelt. Zudem sind die Betroffenen genetisch vorbelastet. Dann gibt es die spezifische Allergie auf Gluten, die aber nur sehr selten vorkommt. Und eine grosse Gruppe bilden Patienten, die berichten, dass sie Gluten einfach nicht vertragen, bei denen aber keine Zöliakie und keine Allergie gegen Gluten vorliegt. In diesen Fällen spricht man von einer Gluten-Sensitivität.

Wann sollte man zum Arzt?
Bei ständigen Beschwerden.

Von lm am 29. Dezember 2020 - 11:09 Uhr