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  4. Beste Lebenszahl: In diesem Alter sind wir glückliche Partypooper

Glücklich, aber bitte daheim

Wann es lächerlich wird, noch Feiern zu gehen

All diese Studien, die uns sagen, in welchem Alter wir am glücklichsten sind und ab wann es langsam peinlich ist, wenn man noch feiern geht. Geschenkt. Denn: Alles, zu meiner Zeit.

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Discokugel

In diesem Alter sollte man die Discokugel langsam an den Nagel hängen.

Photo by Lance Anderson on Unsplash

37. Der Liebling von Studien und Forschenden. Dabei wurde die Zahl so lang völlig unterschätzt. Sie ist weder rund noch eine, die einen volljährig werden lässt. Vermutlich zog sie daher bereits unbemerkt an den meisten vorbei. Dabei sollte man es gross feiern, wenn man 37 Jahre alt wird. Dann ist man nämlich ideal. Das sagt zumindest eine Langzeitstudie der American Psychology Association (2015).

Besser gehts nicht

Mit 37 sind wir am entspanntesten. Auch das Forschungsinstitut YouGov hat im Februar 2016 die 37 als Ergebnis auf der Suche nach dem idealen Alter ermittelt. Die Teilnehmer*innen der Umfrage mussten angeben, welches Alter ihnen lebenswert vorkommt oder rückblickend das beste war. 37. Weiter errechnete eine Studie des englischen Beauty-Brands Sure (2013) die 37 als das Jahr, in dem die meisten Befragten ihre angestrebten Lebensziele erfüllt haben.

Bis dahin habe man nämlich all die grossen Entscheidungen im Leben getroffen: Kinder oder keine? Ein Haus bauen oder ewiges Mieterdasein? Wie soll es mit der Karriere weitergehen? Mit 37 sind also die Weichen gestellt. Die Zahl 37 läutet das Ende des Konjunktiv-Lebens ein. Das klingt eigentlich ganz toll und so, als könnte ich mich mit meinen Anfang 30 echt noch auf was freuen. Und alle, die die 37 bereits hinter sich haben, freuen sich eben auf die 65, weil man dann gemäss einer anderen Studie nochmal richtig glücklich ist. Also alles gut?

Happily Ever After

Natürlich nicht. Denn selbst 37 kann keine Happy Ends. Wer glaubt, das angebliche Bestalter zu erreichen, hätte keinen Haken, der irrt sich selbstverständlich. Wir leben in einer Gesellschaft mit dem Bedürfnis, sich in Generationen aufzuteilen. In amtierende und vergangene. In junge und alte. Und dafür brauchen wir Grenzen.

37 ist beispielsweise die Grenze zum Feiern gehen. Nur bis 37 darf man noch in den Klub – ohne dass es peinlich ist. Da ist man sich gemäss einer Umfrage – durchgeführt vom amerikanischen Retailer Currys PC World (2017) – einig. Protest! Protest! An der Schwelle zu einem guten Klub streift man ja schliesslich nicht nur seine Alltagsidentität ab, sondern auch die Altersidentität.

Ah ja? Das war es jetzt?

Die Hälfte meiner Freunde besitzt momentan einen Thermomix, die andere hängt sich «Ich komme aus dem Klub nicht raus»-Girlanden ins Wohnzimmer. Das ist wunderschön und soll bitte nie enden. Klar gibt es solche, die dem Partymachen schon lange vor 37 abgeschworen haben und am Wochenende dafür lieber früh aufstehen und so richtig was vom Tag haben. Für die sind solche Studien ein willkommener Grund mehr, daheimzubleiben und zu netflixen. Vollkommen in Ordnung, solange das halt eben aus einer intrinsischen Motivation heraus geschieht.

Mit 37 noch keine Karriere gemacht … 

Noch kein Geld angelegt?

Wie, Sie gehen immer noch clubben? 

Wow.

In uns ringen die eigenen Wünsche mit Ansprüchen der Gesellschaft. Letztere haben wir oft schon so stark verinnerlicht, dass diese Anforderungen fatalerweise gar nicht mehr als von aussen vorgegeben begriffen werden. Die Stimmen auseinanderzuhalten, den Ausgleich zu finden, die berechtigten von den unberechtigten Ansprüchen der Gesellschaft zu trennen – das sind einige der Herausforderungen, die das Älterwerden an uns stellt. Und sie betrifft U37er genauso wie solche Ü37.

Alles hat Grenzen

Ab wann es sich nicht mehr gehört, feiern zu gehen, wissen wir also genau. Aber: Ab wann dürfen wir denn keine kurzen Röcke, Crop-Tops und Overknees mehr tragen? Irgendwann ist man einfach «zu alt» oder: «Es ist einfach nicht angemessen.» Doch ab wann denn nur? Gibt es dazu keine genauen Angaben?

37 kann es wohl nicht sein. Da ist man ja so glücklich. Da verschwendet man keine unnötigen Gedanken daran, ob man den Mini nun anzieht, weil er einem steht, oder eben nicht, weil man nicht mehr 20 ist und in dem Alter so vieles nicht mehr tun sollte. Wie zum Beispiel feiern gehen. Und die Grenze kann auch nicht 50 sein. Denken wir nur mal an Jennifer Lopez. Die ist 50. Die hat Anfang Februar während der Superbowl-Halbzeit-Show ziemlich abgeliefert mit ihrem Auftritt (Kollegin Shakira, 43, war irgendwie auch noch anwesend, aber nicht ganz so präsent). JLo präsentierte sich während der Show in einem hautfarbenen, hautengen Body, den sie durchaus tragen konnte. 

Vorbild hin oder her

Die Frage, ob bei der Sängerin ein Chirurg im Spiel war und ob ein durchschnittlicher Mensch so viel trainieren kann, um auch so auszusehen, geht in diesem Zusammenhang am Thema vorbei. Auf der Bühne des Superbowls stand nämlich in erster Linie eine Frau, die sich weigerte, in die Kleider und die Rolle zu schlüpfen, welche die Gesellschaft für Frauen ihres Alters vorgesehen hat.

Wer da nicht solidarisch mitfeiern mag, soll sich halt weiter kopfnickend die Studie über die 37-jährigen Party-Pooper durchlesen. Fakt ist: Immer mehr Schubladen sind in den letzten Jahrzehnten in die Kritik geraten. Es wurde infrage gestellt, dass man nur schön sein kann, wenn man schlank ist. Oder dass männlich und weiblich ganz klar getrennt sein müssen. Und das Alter? Das ist die nächste Kategorie, die wegfallen muss. Anti-Aging ist vorbei. Positive Aging ist angesagt.

Alter, Bestzeit …

Also, was ist denn nun so ausgesprochen toll an 37? Man ist wer. War man aber auch davor schon und wird man vermutlich auch danach sein. Es wurden gewichtige Entscheidungen getroffen. Man hat Narben. Aber auch die behält man, trotz des 38. Geburtstages. Man ist vernünftiger als auch schon. Hat beispielsweise begriffen, dass das Konzept Unterhemd funktioniert und stellt sich damit gegen die Britney-Spears-Bauchnabel-Nullerjahre-Sozialisation. Man ist wo angekommen. Angekommen im «Wenn ich mal gross bin»-Leben.

Wichtig ist meiner Meinung nach aber vor allem eins: Wenn ich (Anfang 30) spätnachts mit dem Velo durch die warme Stadt fahre, fühlt es sich kein bisschen anders an als mit 20. Und das wird es auch nicht mit 37. Oder mit 38. Und ich habe die vage Vermutung, dass es auch mit über 50 nicht vollkommen anders sein wird. 37 sein kann man in jedem Alter.

Von Rahel Zingg am 19. März 2020 - 17:30 Uhr