Harte Muskeln, starke Nerven, grosses Ego? Das Bild des testosterongeladenen Machos wurde mittlerweile übermalt. Ist überholt. Der zeitgemässe Mann muss nämlich: nichts. Darf wenig Muskeln haben. Schwache Nerven. Ein kleines Ego. «Einen modernen Mann gibt es nicht mehr, stattdessen viele verschiedene Typen, Selbstdefinitionen, Rollenbilder», schreibt das Männermagazin GQ.
Die Rollenbilder seien allgemein fluider geworden, meint auch Stefan Zweifel, der gemeinsam mit Juri Steiner die aktuelle Ausstellung Der erschöpfte Mann im Zürcher Landesmuseum kuratiert hat. In ihrer Ausstellung behandeln sie die Gegenwart unter dem Blickwinkel der «Transformer», wie sie Zweifel nennt. Wir befänden uns in einer gesellschaftlichen Transformation – mit ihrer Kritik an tradierten Werten, Konventionen und Dressur.
Was ist ausschlaggebend für diese Transformation?
Die Entwicklung unseres gesellschaftlichen Bewusstseins in Bezug auf das Geschlechtersystem. «In jüngster Zeit ist #metoo zentral. Themen wie Gleichstellung, Offenheit und Solidarität gegenüber Minderheiten und alternativen Lebensentwürfen sind in der öffentlichen Debatte präsenter denn je», fährt Zweifel fort.
Männer seien weiterhin auf der Suche nach ihren Rollen. Einem selbstbestimmten Leben. Die alten Ideale hätten sich erschöpft. Was es brauche, seien neue Vorbilder von Männlichkeiten. Und schöpferische Kreativität im Spiel der Geschlechter.
Immer mehr Männer fallen mit ihrem Bild aus dem alten Rahmen
Tragen positiv zu einem offenen Verständnis für diverse Männlichkeit bei. Ein Beispiel macht der Schweizer Musiker Crimer. Aufgewachsen ist er früher mit einer «sehr klassichen» Rollenverteilung. Sein Papi hat gearbeitet. Das Mami managte Haushalt und Erziehung.
Crimer kann sich noch genau daran erinnern, als er das erste Mal erlebte, wie ein Familienvater Abendessen gekocht hat: «Es war mein Götti». Er sei so begeistert gewesen, dass er das gleich seiner Mutter erzählen musste. «Ich glaube, sowas wird die Jungs der Zukunft nicht mehr so schnell aus den Socken hauen. Und das ist auch gut so!», sagt er heute.
Wie Crimer Männlichkeit in Worte fassen würde? «Muskelberg, Mann mit Rock und Gelnägeln: everything goes! Ich bin für ein Männerbild das alles sein kann». Männlichkeit müsse offen sein und Männer sollten sich dieser neuen Freiheit besser fühlen als je zuvor. «Nur so können wir eingerostete Stereotypen brechen».
Stereotypen zu brechen versuchen auch die grossen Firmen. 2018 lancierte Chanel die Make-up-Linie Boy de Chanel für Männer. Und letztes Jahr produzierte die Agentur Grey New York einen Werbeclip für den Rasierer-Hersteller Gillette. Obwohl man die 108 Sekunden im #metoo-Zeitalter als notwendige Marketingstrategie verstehen kann: Vor ein paar Jahren wäre es unerdenklich gewesen, beim Slogan «The Best Men Can Be» an gute, liebe, anständige Typen zu denken.
The Best Men Can Be?
Eine richtige Antwort dazu gibt es keine. Es sind mehrere. Viele verschiedene. Schauen wir auf den Bohemian-Rhapsody-Schauspieler Rami Malek, wäre eine mögliche: sensibel. «Ich fand es schon immer wichtig, die traditionellen Standards herauszufordern, die Hollywood vorgegeben hat. Es ist grossartig, dass sich das Konzept von Männlichkeit ändert, so wie wir es bisher definiert haben», sagt er in einem früheren Interview mit Style.
Die Männlichkeit von Harry Styles? Erkennen wir an seinem Look! Nagellack, Perlenketten, Röcke, Absätze. Gegenüber The Guardian sagt der Sänger: «Was Frauen tragen. Was Männer tragen. Für mich macht das keinen Unterschied».
Man(n) soll sich wohlfühlen – die Bedeutung der heutigen Männlichkeit?
Wie würdet ihr Männlichkeit heute beschreiben? Lasst es uns wissen!